Stefan Raab vs. Günther Jauch: Der Politshow-Battle!

Ganz schlechte Nachrichten: NOCH eine Talkshow! Als ob es im deutschen TV nicht schon genug gäbe — denkt man im ersten Moment, wenn man hört, dass jetzt auch Stefan Raab unter die Plaudertaschen geht. Die Sendung „Absolute Mehrheit", mit der Raab ab 11. November auf ProSieben gegen das öffentlich-rechtliche Monster Jauchplasbergillnerbeckmann antritt, soll aber alles andere als seriös und 0815 sein: In drei Runden sollen die Talkgäste gegeneinander antreten, das Publikum kann Unsympathen herauswählen. Und am Ende den besten Diskutanten mit einer 100.000-Euro-Prämie belohnen.

Stefan Raab vs. Günther Jauch: Wer ist eher der Siegertyp? (Bilder: ddp images, Getty Images)
Stefan Raab vs. Günther Jauch: Wer ist eher der Siegertyp? (Bilder: ddp images, Getty Images)

Wut, Axthiebe und fliegende Weingläser: Die schönsten Eklats in deutschen Talkshows

Offenbar denkt man bei ProSieben schon an die Bundestagwahl 2013, die einen Boom für die Politikprogramme mit sich bringen könnte — und führt mit Stefan Raab die Allzweckwaffe ins Feld. Das Pikanteste: Der „TV Total"-, Song-Contest- und Wok-WM-Macher tritt mit der Show einmal pro Monat zeitgleich gegen die ARD-Sendung von Günther Jauch an, der mit über sieben Prozent Quote (in der werberelevanten Zielgruppe) die bisher erfolgreichste deutsche Debatte moderiert.

Wer wird gewinnen? Obwohl zu Raabs Sendung noch wenig Details bekannt sind, wagen wir eine Prognose.

1. Das Show-Prinzip
Als Jauch vor einem Jahr seinen ARD-Talk startete (nach der glücklosen Anne Will), wurde frischer Wind versprochen — leider kam nur ein kalter Hauch. Am Prinzip deutscher Plaudershows hat sich in den letzten 30 Jahren so wenig geändert wie am Kinder-Überraschungsei: Es stecken neue Figuren drin, sonst ist alles wie immer. Dass Stefan Raab ein Wettkampfelement einführen will, klingt absurd — ist aber eine geniale Idee. Manche unken, das sei gefährlich. Weil die Gäste ihre Argumente noch weiter vereinfachen müssten, um Stimmen zu bekommen. Blödsinn. Die Gefahr gibt es im Fernsehen immer.

Favorit: Raab

2. Die Gäste
Laut Spiegel Online haben schon Politiker wie Volker Beck (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP) Interesse bekundet, in Raabs Show zu erscheinen. Allerdings: Außenminister Guido Westerwelle wird heute noch dafür verspottet, dass er mal bei „Big Brother" auftrat. Vor der Bundestagswahl werden politische Leistungsträger also dreimal überlegen, ob sie sich bei Lästerbacke Raab verarschen lassen. Jauch hatte sogar Angela Merkel. Dass Raab die bekommt, ist so wahrscheinlich wie ein Papstbesuch in Köln-Ossendorf.

Favorit: Jauch

3. Der Style
Man kann Günther Jauch in seiner stilistisch nichtssagenden Angestelltentracht öde finden — in einer Talkshow, in der vom Armani-tragenden Parteichef bis zum Birkenstock-Piraten alle denkbaren Gestalten aufmarschieren, ist sein Dress ein klarer Vorteil: weil er als Moderator smart und neutral bleibt, keinem unterlegen ist. Raab kommt zwar auch oft im Sakko, wirkt mit seiner T-Shirt-unter-ungebügeltem-Kaufhaushemd-Garderobe aber leider oft etwas prekär.

Favorit: Jauch

4. Die Qualitäten als Moderator
Interviews waren bisher nicht die Stärke von Stefan Raab — weil es bei den „TV Total"-Prominentengesprächen meist nicht viel zu besprechen gibt. Dafür ist er maximal spontan und schlagfertig, findet in jeder Situation den versteckten Witz, kann provozieren, ohne dabei unlocker zu werden. Damit steckt er jeden deutschen TV-Talker in die Tasche. Jauchs Qualitäten liegen anderswo: In seiner oft beamtischen Art wiegt er die Leute in Sicherheit, stellt sich dumm, macht Großmäuler leichtsinnig und erlegt sie dann mit lästigen Nachfragen. Raabs Witz und Jauchs Strategietalent in einem Hirn, das wär's.

Favorit: unentschieden

5. Wichtig oder unwichtig?
Als Anfang September der Neurologe Manfred Spitze bei Jauch übers Internet lästerte, war das überall Gesprächsthema. Und die absolute Ausnahme: Wer nicht nach dem „Tatort" bei der ARD hängenbleibt, bekommt von der Show kaum etwas mit. Dass Raabs Show mehr spektakuläre TV-Momente produzieren wird, die man sich erzählen oder auf Facebook posten wird, das ist jetzt schon sicher: Das Ambiente wird rüpelhafter sein, die Gäste bunter und trashiger, die Themen weniger abstrakt. So gesehen könnte „Absolute Mehrheit" auch mehr echte Diskussionen anregen. Und wer glaubt, dass von einem öffentlichen Polit-Gladiatorenkampf kein substanzielles Ergebnis zu erwarten sein kann — der soll bitte mal die hohen Erkenntnisse aus zwölf Monaten ARD-Dauertalk aufzählen.

Favorit: Raab

Das Endergebnis:
Unentschieden. Raabs Show wird am Anfang sicher unterhaltsamer sein, aber ob wir nach der dritten oder vierten Folge nicht doch überfordert und reumütig an Günther Jauchs Brust zurückkehren — das müssen wir noch abwarten.