Trash TV: Mehr Müll für die Quote

Trash TV gehört mittlerweile genauso zum Fernsehen wie die „Tagesschau". Doch im Gegensatz zu dem Dauerbrenner der ARD lassen die Quoten bei den Reality-Formaten immer öfter zu wünschen übrig. Um beim Zuschauer-Wettkampf mitzuhalten, wird bei den Trash-Formaten daher oft versucht, noch eine Spur an Voyeurismus und Geschmacklosigkeit draufzupacken — mit allen erdenklichen Mitteln.

Kandidatin bei der RTL2-Sendung "Extrem schön" (Bild: RTL2)
Kandidatin bei der RTL2-Sendung "Extrem schön" (Bild: RTL2)

Als pünktlich zum neuen Jahrtausend die ersten Kandidaten ins „Big Brother"-Haus von RTL II einzogen, da dachte man, der Gipfel der Gaffer- und Schaulust im Deutschen Fernsehen sei erreicht. Weit gefehlt: Während „Big Brother" gerade die elfte Staffel abgeschlossen hat und höchstens noch mit ein paar heißen Dusch- und Grabschszenen in die Schlagzeilen kommt, sorgen im Jahr 2011 ganz andere Formate für Aufregung und Skandale.

Oft sind es gerade Sendungen, die sich das „Samariter"-Motto auf die Fahnen geschrieben haben, die beim Trash TV keine gute Figur machen. Um die Quote möglichst hoch zu treiben, werden für den Sensationseffekt mittlerweile Grenzen überschritten, die — gelangen sie an die Öffentlichkeit — den Formaten mehr schaden als nutzen und weiterhin an ihrem ohnehin schlechten Image kratzen.

Um dem Zuschauer vor den Fernseher zu locken, gehen Sender und Produktionsfirmen zwar nicht über Leichen, aber immerhin doch sehr an die Schmerzgrenze. In der RTLII-Sendung „Extrem schön" werden die Kandidaten offenbar stets nach einem möglichst hohen „Hässlichkeitsgrad" ausgesucht. Je größer die Zahnlücken, je schiefer die Nasen, desto deutlicher schließlich der spätere Unterschied, wenn die Teilnehmer sich nach OPs in eine „Schönheit" verwandelt haben. Bei dem Prozess sind die Zuschauer natürlich stets ganz nah dabei und dürfen — oder müssen? - Hängebrüste, Fettschürzen und ähnlich Unschönes betrachten.

Für die Kuppel-Show „Schwer verliebt" zauberte Sat.1 eine ganz besondere Kandidatin-Rarität aus dem Hut: Eine Frau mit Bartwuchs suchte die große Liebe. Natürlich war die Teilnahme der Dame an der Sendung freiwillig. Ob es dem Sender allerdings wirklich primär darum ging, der Kandidatin bei der Suche nach einem Lebensgefährten zu helfen, ist fraglich. Vielmehr hatte man das Gefühl, Sat.1 schielte mit Blick auf die Bartstoppeln der Dame zeitgleich auf eine vielsprechende Quote.

Bei RTL ist Vera Int-Veen "Mietprellern auf der Spur" (Bild: RTL / Christoph Assmann)
Bei RTL ist Vera Int-Veen "Mietprellern auf der Spur" (Bild: RTL / Christoph Assmann)

Um die Zuschauerzahlen nach oben zu treiben und eine möglichst „sensationelle" Produktion auf die Beine zu stellen, wird mitunter auch ein bisschen nachgeholfen: So beispielsweise bei der Real-Life-Doku „Mietprellern auf der Spur", in der Vera Int-Veen im Auftrag von RTL den Kampf gegen Mietnomaden aufnimmt. Dass die Talk-Queen dabei nicht besonders zimperlich mit ihren Protagonisten umgeht, deckte die „Bild"-Zeitung im Juli dieses Jahres auf. Für die Sendung verschaffte sich Int-Veen offenbar in einem Fall unerlaubt mit ihrem Kamerateam Zutritt zu der unordentlichen Wohnung einer bettlägerigen Frau, um Filmaufnahmen zu machen. Den Zuschauern blieb dieses Detail allerdings in der Sendung verborgen. Vielmehr wurde ihnen per entsprechendem Zusammenschnitt vorgemacht, dass der geistig behinderte, minderjährige Sohn der Frau zuvor sein Einverständnis zum Zutritt gegeben hätte. In dem der „Bild" vorliegenden Roh-Material war jedoch zu erkennen, dass das nicht der Fall war. Als der mit der Situation überforderte Junge später aus der Wohnung rennt, scheucht Int-Veen ihr Kamerateam mit folgenden Worten hinterher: „Hinterher, Leute. Kommt, kommt, kommt. Bewegt euch. Hopp, hopp, hopp. Der rennt, der rennt, der rennt." Will heißen: Keine effekthaschende Szene darf verloren gehen — die Würde der unfreiwilligen Protagonisten wird dabei nicht beachtet. In einem Interview mit dem „Kressreport" sagte Andrea Schönhuber, Geschäftsführerin von der für die Doku-Soap zuständigen Produktionsfirma Imago TV, dass es ein gravierender Fehler gewesen sei, das Rohmaterial so umzuschneiden. „Manchmal steht man juristisch auf der richtigen Seite - und trotzdem ist es moralisch nicht okay", erklärte sie die Manipulation weiter.

Tine Wittler mit Boris Hönl beim Deutschen Fernsehpreis 2011 (Bild: ddp images)
Tine Wittler mit Boris Hönl beim Deutschen Fernsehpreis 2011 (Bild: ddp images)

Lügen für die Quote — auch die RTL-Show „Unterm Hammer" geriet deshalb in die Kritik. Für die Doku-Soap sorgte Tine Wittler nicht nur wie bereits in ihrer Vorher-Nachher-Show „Einsatz in vier Wänden" für die Verschönerung von Wohnungen und Häusern. Die aufgewerteten Immobilien sollten anschließend auch möglichst gewinnbringend versteigert werden. Allerdings tat sich bereits nach der Ausstrahlung der ersten Folge ein Problem auf: Das Haus einer Familie aus St. Goarshausen in Rheinland-Pfalz war von Wittler und Co. rundum renoviert wurden. Am Ende der Sendung hieß es dann, dass das Haus für 235.000 Euro verkauft worden sei. Später stellte sich heraus: Der Hausverkauf war überhaupt nicht zustande gekommen. Wittler beschuldigte danach die Produktionsfirma „Open Sense", sie wissentlich getäuscht zu haben. Petra Schorr, Chefin von „Open Sense", gab Wittler in einem Gespräch mit „Bild" recht: „Es tut uns leid. Tine Wittler hat nichts von dem Problem gewusst. Tatsache ist, dass die Hausverkäufer zum Notartermin viel mehr Geld verlangten, als in der Sendung vereinbart." Offenbar war, um dem Zuschauer zu vermitteln, dass die Mission der Show erfolgreich gelungen war, dem Publikum die Verkaufsnummer lediglich vorgegaukelt worden. Sonst wäre am Ende die ganze Mühe umsonst gewesen — und das hätte dem „runden Gesamtbild", auf das diese Formate abzielen, natürlich geschadet. RTL reagierte auf den Schwindel und setzte die Sendung nach nur einer Folge ab im vergangenen Sommer ab. Doch das nächste Trash-Format kommt bestimmt!