Nachruf auf Dirk Bach: Abschied von einem genialen Narren

Wenn das deutsche Fernsehprogramm eine Menükarte ist, dann war er die Praline. Das Dessert, die Belohnung. Er war bunt. Er war rund (und das darf man schon deshalb sagen, weil er selbst es immer so betont hat). Und er war süß, auf seine ganz besondere, eigenartige Art.

Dirk Bach ist tot
Dirk Bach ist tot

Wenn Dirk Bach den TV-Schirm betrat, dann fühlte sich das immer wie eine unfassbare Erleichterung an. Wie der Auftritt einer dieser Figuren, die William Shakespeare in seine Tragödien einbaute, um dem Publikum zwischen Erbstreitigkeit, Intrige und Königsmord ein bisschen Ablenkung zu gönnen: ein bisschen Spaß, in dem oft mehr Wahrheit steckt als in der Staatsaffäre. Ein Job für weise Narren. So einer war Dirk Bach, und obwohl es nach der schockierenden Nachricht über seinen Tod erst mal keiner zugeben will: Er ging vielen oft auf die Nerven damit. Und ganz unter uns: Das war auch der Sinn der Sache.

„Ich sehe förmlich schon die Meldung vor mir", sagte Dirk Bach. „Willingen, Mai 2011: Beim Versuch, den Kahlen Asten über die gefürchtete Picknickflanke zu bezwingen, bricht sich die Extremsportlerin Sarah Dingens auf der Taxifahrt zum Basislager einen Fingernagel ab und gibt völlig entkräftet auf." Gemeint war das quengelige Model Sarah Knappik, seinerzeit Kandidatin im RTL-Dschungelcamp, das dem Moderator Bach seit 2004 zu einer völlig unerwarteten Superbekanntheit verhalf. In der Regel sind die Präsentatoren in Realityshows ja nur Beiwerk, austauschbar. Bach und Kollegin Sonja Zietlow, im australischen Regenwald auf der Hängebrücke stehend, wurden zu den eigentlichen Stars der Sendung.

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Und wieder war Dirk Bach derjenige, der im Fernsehen die Wahrheit sagen durfte — über die traurigen, verzärtelten Prominenten im Camp. Es gab immer wieder Kommentatoren, die ihm Grausamkeit vorwarfen. Und die doch spürten, dass Spott bei einer derartigen Show tausendfach ehrlicher war als die scheinheilige Durchhalteparole. Dass dieser Moderator immer ganz auf der Seite seiner Zuschauer stand.

Es kann sein, dass Dirk Bach selbst nicht hundertprozentig glücklich war mit seinem Dasein als Boulevard-Ikone. Der am 23. April 1961 in Köln Geborene hatte schließlich als Theaterschauspieler begonnen, stand schon mit 17 im Kölner Schauspielhaus in Heiner Müllers „Prometheus" auf der Bühne, improvisierte sich in den späten Siebzigern und Achtzigern als ungelernter Mime durch freie Inszenierungen in Amsterdam, London, Wien und New York. Das Vorbild seiner Eltern, die beide beim WDR gearbeitet hatten, war wohl mit dafür verantwortlich, dass Bach sich auch beim Fernsehen ein Standbein aufbaute: Eine seiner ersten kleinen Rollen spielte er 1986 in Folge vier von Helmut Dietls „Kir Royal". Als Kellner im Gourmet-Restaurant Aubergine servierte er Baby Schimmerlos einen doppelten Wodka.

Dass Dirk Bach zum echten, großen Comedystar werden konnte, ab 1992 mit den Sketchen seiner „Dirk Bach Show" auf RTL und ab 1996 als berufsjugendlicher Gelegenheitsschauspieler in der großartigen ZDF-Sitcom „Lukas" — das hat auch mit einem einschneidenden Wandel im deutschen Fernsehen zu tun. Ein kleiner Dicker wie Bach, für den wäre noch in den 70er-Jahren nur die Rolle des doofen Clowns übrig geblieben. Der große Generationenwechsel, das endgültige Abdanken der Nachkriegsentertainer, vor allem die Revolution des Privatfernsehens sorgten dafür, dass die superschräge Figur Bach zum wahren Helden werden konnte. Mit seinen (ebenfalls schwulen) Zeitgenossen Hape Kerkeling und Hella von Sinnen verband ihn eine enge Komplizenschaft, mit von Sinnen wohnte er zeitweise sogar in einer Kölner WG zusammen.

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Das ist auch der Grund, warum uns die Nachricht vom Tod des ebenso glamourösen wie klugen Bach so besonders tief trifft: weil er eine Figur der Gegenwart ist. Ein Freund, einer, der uns durchs Programm begleitet. Einer, dem wir vertrauen, obwohl nichts und niemand vor seinem Witz sicher war. Dirk Bach starb am Montag in Berlin kurz vor der Premiere seines neuen Theaterstücks — und dass das deutsche Fernsehen damit eine gehörige Portion Spaß, Farbe und Strahlkraft verliert, ist das eine.

Das andere: Wir werden nie erleben, was dieser große Schauspieler noch alles vor hatte. Dass er sich auf dem „Dschungelcamp"-Ruhm dauerhaft ausruhen wollte, ist eher unwahrscheinlich. Aber wahrscheinlich würde Dirk Bach wollen, dass wir ihn so in Erinnerung behalten: lachend, auf einer Hängebrücke im australischen Wald, mit einem schrillen Tropenhelm auf dem Kopf. Wer ab und zu daran denkt, kann das deutsche TV vielleicht auch ohne ihn ertragen. Aber nur vielleicht.