„Alle auf den Kleinen“: Überlange Kinderei mit Oliver Pocher

Wenn wir die aktuelle Berichterstattung der Boulevardpresse richtig verstanden haben, verhält es sich so: Oliver Pocher, Fernsehmoderator und Comedian, und seine Noch-Ehefrau Alessandra, früher bekannt als Sandy Meyer-Wölden und von Beruf Schmuckdesignerin, mögen sich, trotz Trennung. So sehr, dass sie ihm auch bei der zweiten Ausgabe seiner Show „Alle auf den Kleinen“ als freundliche Assistenz zur Seite steht, was von allen Beteiligten mit einer gehörigen Portion Altherrenwitz kommentiert wird. Jemanden, der bei Bedarf Händchen hält, hat Pocher aber auch nötig, denn beim Debüt der Primetime-Sause mit starken Anleihen an „Schlag den Raab“ im Januar musste er den Kürzeren ziehen.

Gezeichnet von der langen, langen Sendung: Oliver Pocher und seine Konkurrenten (Bild: RTL)
Gezeichnet von der langen, langen Sendung: Oliver Pocher und seine Konkurrenten (Bild: RTL)

„Acht Kilo verlor er, 48 Kilo sind freiwillig gegangen.“ So beschreibt Moderatorin Sonja Zietlow zu Beginn der Show Oliver Pochers aktuelle Form und den Abgang seiner Ex-Herzensdame. Er selbst erzählt zunächst vom Fitnesstraining mit Detlef D. Soost, bevor er freundlich mitteilt, es sei „ein Zeichen, dass es funktioniert“, dass die Noch-Ehefrau auch in der jüngsten Auflage der Show immer noch als so eine Art Joker und Grüßaugust aus dem Off teilnimmt. Mit dabei ist auch wieder Kommentator Heiko Waßer. Neu dagegen sind die Herausforderer: Zunächst Andreas, 40-jähriger Hobbyboxer und Hundebesitzer aus dem Berliner Speckgürtel. Noch ein Andreas, tätowierter LKW-Fahrer und Fanta-4-Fan. Und Dinah, früher mal Jurastudentin und heute Leiterin einer Flughafenlounge. Das muss man dem deutschen Privatfernsehen lassen: Man lernt die interessantesten Berufe kennen. Abwechselnd treten die drei also gegen Pocher an, um die bis zu 100.000 Euro Preisgeld zu gewinnen. Zuschauer können ab der Hälfte der Show vor jeder Runde für einen der Kandidaten anrufen. Warum genau man das tun sollte, bleibt allerdings im Dunkeln.

Ohnehin ahnt man schon früh: Spannung wird hier kaum aufkommen. Denn das erste, „Fallrückzieher“ genannte Spiel, bei dem Pocher und sein Herausforderer in einer Seilkonstruktion eingespannt, nun ja, eben Fallrückzieher in einem Tor platzieren müssen, ist nur mäßig spannend. Sowohl Pocher als auch sein Gegner kriegen es erst nach Anlaufschwierigkeiten hin. Begegnung Nummer zwei: Unter der Aufsicht des „Let's Dance“-Jurors Joachim Llambi müssen Pocher und sein Gegner gemeinsam einen Modetanz erfinden. Etwas umständlich, laut Einspielerfilmchen am auch schon wieder vergessenen Internet-Hype „Harlem Shake“ andockend, und elend langwierig. Weiter auf dem Spielplan: Sackhüpf-Schwimmen mit geschminkten Lippen, das Ertauchen und Zielwerfen nasser Damenunterhosen, Russisch Roulette mit Hühnereiern, Quiz-Ringen, Einparken im Blindflug – dass Pocher hier seine Noch-Gattin beschimpft, wurde vorher bereits erfreut von der Boulevardpresse wahrgenommen –, Strippen an der Stange und allerhand weiterer Nonsens. Gerne werden dabei Masken oder Mützen getragen, manchmal muss man an das japanische Ur-Trash-Format „Takeshi's Castle“ denken. Dass es um 23.21 Uhr „wirklich eng“ ist, wie der aufgeregte Kommentator ins Mikro bellt und dass Pocher dann um kurz nach Mitternacht endlich gewinnt, das alles ist einem als Zuschauer irgendwann völlig egal. Erwähnenswert allein ist dabei, dass Pocher den Gewinn von 80.000 Euro spontan an die Hochwasser-Opfer spendet.

Was hier passiert? Irgendwas mit Glücksspiel und Eiern. (Bild: RTL)
Was hier passiert? Irgendwas mit Glücksspiel und Eiern. (Bild: RTL)

Ein bisschen hat man den Eindruck, als hätte die Sendung eine Arbeitsgruppe erfunden. Mit dabei: ein Kleinkind, der bekiffte Ex-Praktikant von „Schlag den Raab“ und der Animateur einer heruntergekommenen Ferienanlage an der Costa Brava. Wo Stefan Raab in seiner Show verbissen in den Zweikampf zieht, ist die RTL-Variante nicht nur eine Show ohne jede Ernsthaftigkeit, sondern auch arm an Höhepunkten. Das verrät eigentlich schon die Gästeliste: Auf der stehen Jan Kralitschka, der im vergangenen Frühjahr in der Show „Der Bachelor“ eine neue Freundin fand und gleich wieder verlor, sowie Dauer-Nackedei Micaela Schäfer, die über ihre Brustimplantate und ihre „Karrriere“ spricht.

Nach was schmecken die Lippen von 'Demolition Davies'? Oliver Pocher auf Tuchfühlung (Bild: RTL)
Nach was schmecken die Lippen von 'Demolition Davies'? Oliver Pocher auf Tuchfühlung (Bild: RTL)

Lichtblicke gibt es mit etwas gutem Willen drei: Einmal „Bolz“, bei dem die Kandidaten verschiedene Bälle zwischen sich öffnende und schließende Fahrstuhltüren befördern müssen. Das wirkt wie ein Computerspiel, scheint ganz schön knifflig zu sein und macht Spaß beim Zusehen. Ebenso wie die völlig absurden Finger-Kostüme in der Partie „Hand drauf“, die Erinnerungen an „Fünf ist Trümpf“, der längst vergessenen Postleitzahlen-Kampagne aus dem Jahr 1993 heraufbeschwören. Und schließlich ist da noch „Demolition Davies“. Ein haariger Profi-Wrestler, der bereits in der letzten Ausgabe der Show brillierte und mit dem Pocher diesmal kleine Küsse austauschen muss, während im Hintergrund „Careless Whisper“ von George Michael läuft. Es ist schön zu sehen, wie sich Pocher plötzlich sehr unwohl fühlt. Blöd ist, dass man dafür selbst vier Stunden lang leiden muss.

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