„Alle auf den Kleinen“: Pocher lässt sich schlagen

Immer druff, auf den Kleinen: Wer viele Fernsehnächte auf dem Sofa verbringt, kennt das Schlussbild bestens. Wieder einmal flattern die berühmten Staniolpapier-Schnipsel durch die Studio-Halle. Sie sollen wie Goldregen aussehen – und einen denkwürdigen Glamour-Moment markieren. Oft aber sieht der Effekt einfach nur billig aus. Viel wichtiger ist die Erleichterung, die mit dem Goldregen einsetzt: Ein mal wieder viel zu spät gewordener Abend, bei dem man das Ab- oder wenigstens Umschalten verpasst hat, hat nun doch endlich sein Ende erreicht. Auch Oliver Pocher, der mit 1,73 Meter Körpergröße titelgebende Wettkämpfer aus „Alle auf den Kleinen“ wirkt irgendwie erleichtert, dass er die neue RTL-Show hinter sich gebracht hat.

Gerade eben hing er noch ziemlich unvorteilhaft wie eine merkwürdige Form von menschlicher Rohrverstopfung in einer Plexiglas-Röhre, die es in bester „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“-Manier zu durchrobben galt. Der deutlich fittere Gegenspieler Knut, ein Arzt aus Göttingen, stand da längst schon als Sieger fest. Pocher dagegen wirkte einfach nur bedröppelt. Mit einem aus einer früheren albernen Sportübung, bei der man Farb- und Unrat-Tonnen durchhechten musste, gelb verschmierten Smoking-Hose taumelte er in die Arme der resolut wegmoderierenden Spielleiterin Sonja Zietlow und fragte nur ungläubig: „Habe ich jetzt gewonnen?”. Natürlich konnte davon keine Rede sein. Für Pocher regnete es keinen Gold-Flitter. Er hatte versagt. Und das war gut so.

Der völlig überzogenen Herausforderung, gegen drei durchtrainierte, ihm körperlich deutlich überlegene Spiel-Kandidaten zu bestehen, die sich in ihrer Marathon-Schlacht gegen Pocher auch noch jeweils abwechseln durften, hatte der „Kleine“ natürlich nicht standgehalten. Allerdings schien das weder den TV-Promi zu wurmen, noch das Siegerteam übertrieben zu freuen. Im von vornherein unwahrscheinlichen Fall eines Pocher-Siegs hätte er keinen Cent Spiel-Prämie erhalten. Seine Gegner mussten sich mit vergleichsweise bescheidenem 100.000-Euro-Scheck zufrieden geben. Vergleichsweise wohlgemerkt, galt es doch bei der ProSieben-Ehrgeizlingshow „Schlag den Raab“ unlängst 3,5 Millionen Euro zu gewinnen.

Doch damit wurde der Hauptunterschied zu dem Vorbild-Format, bei dem sich die gelegentlich launige, oft aber auch eher langweilige RTL-Kopie dreist bediente, offensichtlich: „Alle auf den Kleinen“ wirkte zwar oberflächlich betrachtet wie der eher einfallslose Versuch, beim schärfsten Senderkonkurrenten einfach mal so eine Art „Schlag den Pocher“ zu etablieren. Tatsächlich war schnell klar, dass „Alle auf den Kleinen“ mehr eine augenzwinkernde Parodie als eine ernstzunehmende Konkurrenz abgeben würde.

Und das liegt vor allem am Grundproblem des RTL-Formats: Natürlich ist Pocher ein Großmaul, mit dem vermutlich viele Zuschauer gerne mal kurzen Prozess machen würden. Tatsächlich mag es reizvoll sein, in ein bis zwei Spielen vorgeführt zu bekommen, dass Pocher trotz aller vermeintlichen Anstrengungen (er soll ein Box-Training bei Felix Sturm absolviert haben) meist wie ein Würstchen wirkt. Ihn regelrecht leiden zu sehen, wie man das dem verbissenen Nicht-Verlieren-Könner Stefan Raab oft wünscht, würde die Humorbereitschaft schnell übersteigen.

Pocher ist weder „Raabinator“ noch ein durchgeknallter „Jackass“-Selbstüberschätzer der Marke Joko und Klaas. Der zuletzt oft etwas glück- wie heimatlose TV-Entertainer weiß, was er gut kann: In allen Pop-Kultur-Fragen brillierte er. Und er weiß auch, dass es keine Schande ist, vor laufender Kamera gegen würdige Gegner den Kürzeren zu ziehen.

Richtig komisch wurde die Sendung bezeichnenderweise auch erst dann, als Pocher endlich zum Quatschen kam – und einige seiner beeindruckend respektlosen Spontan-Giftpfeile abschießen konnte. Wer schafft es schon, Schlagersänger Michael Wendler so ganz beiläufig als „Arschgesicht“ zu bezeichnen, ohne dabei auch nur mit einer Wimper zu zucken? Die Spielshow bot jedenfalls genau dann gute Unterhaltung, als klar war, dass es um nichts Ernsthaftes ging.

Momente großer Groteske bot etwa ein „Quizz-Fight“, in dem sich Pocher im inszenierten Krawall-Ballett von einem monströs übergewichtigen Wrestler namens „Demolition Davies“ vermöbeln ließ – und gleichzeitig gegen die Uhr Rätselfragen beantwortete. Für freche Gags hatte Pocher dabei zum Glück noch Luft übrig. „Papa, ich erkenne dich!“, schleuderte er etwa dem bärtigen Kämpfer mit der furchterregenden Gesichtsmaske entgegen.

Ebenso ganz großes, weil anarchisch überdrehtes Unterhaltungstheater war der Auftritt von „Switch Reloaded“-Komiker Max Giermann. Er synchronisierte auf bizarre Art beim Spiel „Körper-Karaoke“ lautlos bekannte deutsche Pop-Songs und Schlager nach – und griff sich dabei häufiger in den Schritt als Michael Jackson in seiner späteren Karrierehälfte.

Giermann würde man solo gern häufiger sehen. Eine weitere Ausgabe von „Alle gegen den Kleinen“, über deren mögliches Zustandekommen man in der RTL-Chefetage aktuell noch brütet, darf sich der Sender dagegen guten Gewissens sparen. Dieser lange Pocher-Abend war nicht schlimm genug, um sich wirklich über den Kleinen zu ärgern. Aber fürs erste hat man von der halben Portion auch schon wieder ausreichend genug gekostet.