ARD/ARTE-Doku über Heinrich George: Götz George verteidigt den Vater

In wenigstens einem Punkt muss man Götz George Recht geben: Mittwoch, 21.45 Uhr, mitten im Hochsommer: Das ist nicht der allerbeste Sendeplatz. Das Doku-Drama "George", eine Art Hommage an den eigenen Vater, hätte er lieber im Oktober gesendet gesehen. Der empörte Sohn schimpfte lautstark auf die "Bürokratie" der ARD, die sich in Person des Programmdirektors Volker Herres nur zaghaft rechtfertigte. Immerhin: Auf die Art hat Götz George, der am 23. Juli 75 Jahre alt wird, diesem Herzensprojekt doch noch größtmögliche Aufmerksamkeit beschert. Einem Film, der wohlgemerkt an sich schon höchst dabattierfähig und brisant daherkommt. Schließlich geht es um die Rehabilitation des Vaters, eines unbestritten großen Theater- und Filmschauspielers, dem seine Haltung zum NS-Regime zum Verhängnis geworden war. Bevor das Erste "George" am Mittwochabend im Anschluss an eine "Schimanski"-Wiederholung ausstrahlt, zeigt ARTE den Film am Montagabend vorab – immerhin zur besten Sendezeit, um 20.15 Uhr.

Schwere Aufgabe: Götz George als sein Vater Heinrich. (SWR / T. Kost)
Schwere Aufgabe: Götz George als sein Vater Heinrich. (SWR / T. Kost)

Wäre es alleine nach Götz George gegangen, hätte er in diesem Film nie mitgewirkt. Der Regisseur und Autor Joachim Lang hat ihn mit einem intensiv recherchierten Drehbuch und einiger Hartnäckigkeit überzeugen müssen. Kein Wunder. Die Aufgabe, den eigenen Vater, nach eigenem Bekunden einen "Jahrhundertschauspieler", verkörpern zu müssen, scheint monumental, selbst für einen wie Götz George. An den Vater hat er nur "surreale" Erinnerungen, wie er im Interview sagt. Heinrich George starb im sowjetischen Lager Sachsenhausen am 25. September 1946. Ein Moment, den der halb dokumentarisch, halb aus Spielszenen bestehende Film nicht ausspart. Der 115-Minüter gipfelt jedoch in einem einzigen Satz: "Ich bin Schauspieler, kein Politiker."

Reicht das zur Rechtfertigung für einen, der in Propagandafilmen wie "Jud Süß", "Hitlerjunge Quex" und "Kolberg" mitspielte, den Goebbels zum Intendanten des Schillertheaters in Berlin berief? "Zu jenem Zeitpunkt wurde ihm klar, dass er da seine eigene kleine Zelle bauen konnte", sagt Götz George im Interview. "Goebbels warf ihm ja auch vor, dass es in seinem Theater keinen Nationalsozialisten gab. Stattdessen Juden, Sozialdemokraten ... auch dessen war sich mein Vater genau bewusst. Es war ihm klar, dass er hier helfen konnte. Und das hat er redlich ausgenutzt. Auch deswegen wurde er von den Russen 1998 offiziell rehabilitiert."

Starke Vorstellung: Martin Wuttke als Joseph Goebbels. (SWR / T. Kost)
Starke Vorstellung: Martin Wuttke als Joseph Goebbels. (SWR / T. Kost)

Die Frage nach der moralischen Rehabilitation lässt der Film am Ende offen. Er wertet nicht, sondern müht sich um ein differenziertes Bild, das es in den Augen des Sohns bislang nicht gegeben hat von Heinrich George. "Ein Problem für ihn war, dass er zu früh gestorben ist", glaubt Götz George. "Und auf die Toten lässt man die Gülle eben herab. Wenn er überlebt hätte, hätte er gute Argumente gehabt. Oder womöglich gar keine gebraucht. Vielleicht hätten ihn andere verteidigt. Er hätte sicher Fehler eingestanden. Aber wie viele andere seiner Generation eben auch eine neue Chance bekommen."

Nicht alle sehen das so. So echauffierte sich der jüdische Filmproduzent Artur Brauner, der 49 Angehörige durch das Nazi-Regime verlor, Götz George wolle den Vater "glorifizieren". Heinrich George werde im Film als "Opfer" dargestellt, so der 94-Jährige. Dabei habe er "Millionen Zuschauern, die seine Fans waren, den falschen Weg gewiesen“.

Das Schöne am Doku-Drama von Filmemacher Joachim Lang: Jeder darf sich am Ende selbst seine Meinung bilden in einer schwierigen, moralisch vielleicht gar nicht eindeutig entscheidbaren Frage. Eines darf man fraglos festhalten: Das Sommerloch im Fernsehen - selten wurde es so gehaltvoll bespielt.

("George": Montag, 22. Juli, 20.15 Uhr, ARTE; Mittwoch, 24. Juli, 21.45 Uhr, ARD)