DSDS 2012: Kein Herz für Vanessa

Wie schön: „Herzenssongs für dich" soll es geben. Endlich! Lange genug mussten die Romantiker unter den DSDS-Fans schließlich auf die großen Gefühle warten. Nach den „Hammer Hits" und der Halli-Galli-Partymucke der ersten beiden Mottoshows lässt dieser Samstagabend nun die ersehnte Dosis Kitsch erwarten. Doch wer sich auf schmachtende Kandidaten, Herzballons und dramatische Stimmen freut, wird enttäuscht. RTL hat anderes vor.

Kein Herz für Vanessa: Die Schülerin wurde rausgewählt (Bild: RTL)
Kein Herz für Vanessa: Die Schülerin wurde rausgewählt (Bild: RTL)


Von Herztitanen und Trend-Barometern

Dabei beginnt alles herzig: Zum „Abend der Herzen" kündigt Moderator Schreyl nicht die Jury an, sondern „Herzensdame" Horler, „Herzbube" Darnell und „Herztitan" Bohlen. Es gibt auch keine Kandidaten, sondern „Herzensbrecher". Soso. Doch kaum haben sich die verbleibenden acht zu „For you" von den Disco Boys angesungen, fällt Schreyl ein neues, weniger nettes Wort ein. „Trendbarometer" heißt es: Die RTL.de-User haben Kristof zum dritten Mal in Folge zum Flop der Woche gewählt. Sicher, dass es Kristof trifft, war einigermaßen absehbar. Heute aber ist das erst der Anfang.

Krawall, Action und Gerüchteküche, bitte

Dann kommt Daniele. Der ehemalige Bad Boy sieht gerade aus wie Jan Delay und singt — umtanzt von noch mehr Lookalikes — Delays schnodderiges „Oh Johnny". „Song hat gepasst wie Arsch auf Eimer", sagt Dieter Bohlen, auch der Rest der Jury ist zufrieden. Interessanter scheint allerdings, was RTL im Anschluss „Schockierendes" ans Licht bringt: Daniele und Kristof haben sich in der DSDS-Villa gezofft, sich „Asozialer" und „Schwuchtel" genannt. Angeblich wollte Daniele sogar auf Kristof losgehen. Während der Zuschauer sich fragt, ob er das alles so genau wissen muss, wird ihm der zweite Trend für den Abend klar. Weg von der Musik, hin zu den grellen Geschichten: Krawall, Action und Gerüchteküche, bitte.

Umgehend wird Kristof als Groß-Klatschtante eingeführt. Hamed und Fabienne hätten einmal die Nacht zusammen im Zimmer verbracht, orakelt er. Uiuiui. Dass am vermeintlichen Techtelmechtel nichts dran ist, wird selbstredend erst später aufgelöst. Und wenn hier schon nichts zu holen ist, müssen die Reize eben von woanders kommen: Im nächsten Einspieler darf der kleine Schweizer Luca in einer Travestie-Bar die volle Montur mit Perücke, Stöckelschuhen und Silikonbrüsten ausprobieren. Bei RTL gibt man sich wirklich Mühe.

Kristof kann es kaum glauben: Er kommt eine Runde weiter (Bild: RTL)
Kristof kann es kaum glauben: Er kommt eine Runde weiter (Bild: RTL)

Softes und Süßliches

Dass es das große Gefühl an diesem Abend schwer hat, liegt jedoch nicht nur am zu tiefen Einblick in die Kandidaten-Villa. Gesungen wird schließlich auch: Zuverlässig tötet Joey mit seiner Version von Grönemeyers „Weg" jegliche Gefühlsregung ab. Noch nicht einmal sein nackter Oberkörper kann davon ablenken, dass Joey die schlechteste Performance des Abends liefert. Technisch besser macht es der softige Jesse, der seinen Auftritt der Freundin samt Drillingsschwestern widmet. Trotzdem wirkt sein Auftritt ebenso brav und blass wie der von Fabienne, die mit Kirschohrringen süßlich-niedlich ins Lollimikrofon haucht. Bohlen rät dringend zu mehr Verruchtheit. Punkten kann dagegen Vanessa, die mit rotem Kleid und schwarzem Airbrush-Stacheldraht einen dramatischen Auftritt hinlegt. Ihre Version von „Bleeding Love" (Leona Lewis) hat Soul und überzeugt die Jury. Dass sie später überraschend vom Publikum rausgewählt wird, sorgt für echte Bestürzung.

Doch noch ein großer Moment

Ein Grenzfall bleibt Hameds Version von „Moves Like Jagger" (Maroon 5). Der Trierer singt für seine Mutter, die er seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, weil sie im Iran lebt. Thematisch ist die Uptempo-Nummer ein „Herzenssongs", aber die futuristisch gewandeten Tänzer und die Alien-Roboter (?), die auf die Bühnenwand projiziert werden, lenken doch sehr davon ab. Die Jury stört's nicht, Hamed bekommt einhelliges Lob. Er ist auch verantwortlich für den einzigen wirklich großen Gefühlsmoment der Show. Denn — man ahnt es — Hameds lang vermisste Mutter wurde eingeflogen. Wie Mutter und Sohn sich auf der Bühne in den Armen liegen und weinen vor Glück, dürfte nur Diktatoren und Steine kalt lassen.

Echte Gefühle: Hamed und seine Mutter beim langersehnten Wiedersehen (Bild: RTL)
Echte Gefühle: Hamed und seine Mutter beim langersehnten Wiedersehen (Bild: RTL)

Bezeichnend allerdings, dass dieser Moment nicht direkt etwas mit Musik zu tun hat. Musikalisch fehlt der Show das gewisse Etwas — irgendwie ist da zu wenig Herz, zu wenig Soul. Vielleicht liegt das daran, dass viele Kandidaten noch sehr jung sind. Vermutlich geht es den Sängern aber einfach wie den RTL-Zuschauern: Allzu viel Störfeuer lenkt ab. Denn wer sich für Zoff und Gerüchteküche interessieren muss, hat bald keinen Nerv mehr fürs Herz.