“Hannibal” bei SAT.1: lecker Blutwurst mit Mads Mikkelsen

Er ist ein Gourmet. Mit großer Freude, dem Enthusiasmus und der Detailversessenheit eines Sternekochs bereitet Dr. Lecter die raffiniertesten Speisen zu. Und serviert sie seinen Gästen. Die Leber ist gut durch, die Sauce mit einem speziell behandelten Blut verfeinert. Der Koch erklärt sogar die Methode der Zubereitung. Nur stammt dieses Blut tatsächlich vom Schwein?

Dr. Lecter (Mads Mikkelsen) ist ein echter Feinschmecker (Bild: SAT.1)
Dr. Lecter (Mads Mikkelsen) ist ein echter Feinschmecker (Bild: SAT.1)

Großartig vorstellen muss Serien-Schöpfer Bryan Fuller seinen titelgebenden Bösewicht Dr. „Hannibal“ Lecter nicht mehr. Durch die verstörenden Romane von Thomas Harris und der überragenden Darstellung des Dr. Lecter durch Sir Anthony Hopkins in "Schweigen der Lämmer" (1991) oder "Roter Drache" (2002) ist der ebenso geniale wie angsteinflößende Serienkiller mit Vorliebe für Menschenfleisch längst eine Ikone. In der neuen SAT.1-Serie „Hannibal“ hat der dänische Schauspieler Mads Mikkelsen (Bond-Bösewicht „Le Chiffre“ aus „Casino Royale“) die Aufgabe, jenen Lecter so darzustellen, dass er dem Zuschauer bereits Furcht einflößt, obwohl kein Handelnder der Serie weiß, dass er ein in Reihe killender Kannibale ist.

Dr. Lecter (Mads Mikkelsen) gönnt sich ein nächstes "feines" Mahl (Bild: SAT.1)
Dr. Lecter (Mads Mikkelsen) gönnt sich ein nächstes "feines" Mahl (Bild: SAT.1)

Fullers Kniff dabei ist, dass er den Bösewicht eben nicht in das Zentrum dieses sehr blutigen Geschehens stellt. Er rückt den jungen Profiler Will Graham (Hugh Dancy) in den Mittelpunkt. Dieser hat eine besondere Gabe. Er kann sich in den Geist der schlimmsten Verbrecher hineinversetzen. Wenn er an den Tatort eines schändlichen Verbrechens kommt, dann läuft eine Art Pendel durch das Bild. In einer Rückschau sieht er sich selbst - und letztendlich auch der Zuschauer – als abscheulichen Mörder. In der ersten Folge schießt Graham so einer Frau mitten ins Gesicht. Und das in Großaufnahme. Das Blut spritzt an eine schneeweiße Wand. Graham sagt stellvertretend für den echten Mörder, genau so habe er es gewollt.

Sich in die schlimmsten Mörder und deren Schandtaten hineinversetzen zu können, sind für Graham Gabe und Qual zugleich. Sie führen ihn zu einer Zusammenarbeit, aber auch auf die Couch eines Psychiaters: Dr. Hannibal Lecter. Mads Mikkelsen spielt den charismatischen Unhold, von dem niemand weiß, dass er ein ebensolcher ist, mit abschreckender und doch faszinierenden Distanz. Seine stets wie angegossen sitzenden Anzüge, seine perfekten Manieren nicht nur zu Tische wirken wie eine unsichtbare Mauer um ihn. Dass er immer mehr in den Kopf Grahams eindringt und ihn manipuliert, wird zu einem roten Faden der ersten 13 Folgen. Lecter und der Profiler liefern sich in ästhetisch ansprechender Kulisse teilweise brillante Dialoge. Dabei gibt der menschenfressende Doktor jedoch nie seine Seite des unsagbar Bösen preis - ja, manchmal muss man ihn sogar gerne haben.

Profiler Will Graham (Hugh Dancy) "sieht" die schlimmsten Verbrechen (Bild: SAT.1)
Profiler Will Graham (Hugh Dancy) "sieht" die schlimmsten Verbrechen (Bild: SAT.1)

Ohnehin sind für allerlei Schandtaten in den jeweiligen Folgen zunächst andere verantwortlich. In drastischen und vor allem gestochen scharfen Bildern werden deren schlimmsten Morde dargestellt. Es sind besonders kranke Hirne, die sich einen menschlichen Körper als Nährboden für Pilze ausdenken, oder die Leichenteile zu einem Totempfahl zusammenbinden. Graham zerbricht mehr und mehr an diesen unfassbar grausamen Taten, die er nicht nur sieht, sondern auch körperlich spürt.

Nur eine unter vielen Leichen, hier aufgespießt auf einem Hirschgeweih (Bild: SAT.1)
Nur eine unter vielen Leichen, hier aufgespießt auf einem Hirschgeweih (Bild: SAT.1)

In dieser Phase des fortschreitenden Zerfalls Grahams wird Dr. Lecter sein Vertrauter und Freund. Hannibal hilft Graham mit Ratschlägen. Dass er selbst mordet, weiß niemand und wird in der Serie lange nicht gezeigt. Lieber serviert er eine erneut raffiniert zubereitete Speise. Das Grauen spielt sich dabei in erster Linie in der Phantasie des Zuschauers ab. Durch die Bücher von Thomas Harris und den bisherigen Filmen weiß nur er, dass Lecter ein Kannibale ist und gerne auch Mensch serviert. Ob ein nächster Bissen Fleisch, der in Großaufnahme in einem hungrigen Mund verschwindet, vom Schwein stammt oder eher nicht, das liegt im Glauben des Betrachters. Und das macht „Hannibal“ zusätzlich unerträglich.

(„Hannibal“, ab Donnerstag, 10. Oktober, 22.15 Uhr, SAT.1)