Neuer “Tatort” mit Ulrike Folkerts: Befreiungsschlag im Pfälzer Unterholz

Der Image-Krimi zur Frauenfußball-WM: hochnotpeinlich. Das Empörstück über die Machenschaften der Fleisch-Industrie: zäh wie eine Schuhsohle. Beim Ludwigshafen-"Tatort" haben sie in letzter Zeit kaum eine Krimi-Unsitte ausgelassen. Bemühte Brennpunktthemen. Bräsige Ermittlungsarbeit. Hölzerne Erklärdialoge. Die Klischeesuppe auslöffeln mussten Ulrike Folkerts und Andreas Hoppe. Dabei haben die dienstälteste "Tatort"-Kommissarin Lena Odenthal und ihr treuer Adlatus Kopper deutlich mehr auf dem Kasten, wenn man ihnen denn mal ein Drehbuch mit Niveau vorlegt. Wie viel mehr — das zeigt der neue Fall "Der Wald steht schwarz und schweiget" (Buch: Dorothee Schön, Regie: Ed Herzog). Wie realitätsnah die naturgewaltige Kidnappinggeschichte aus dem Pfälzer Wald ist, sei mal dahingestellt. Spannend bis zum Anschlag ist sie allemal. Mehr ein Landschaftsthriller als ein Krimi. In jedem Fall eine Art Befreiungsschlag.

Eine Spaziergängerin bringt die dramatischen Dinge in Gang. Am Fuße eines Felsens, der auch noch bedeutungsschwanger "Teufelskopf" heißt, will sie eine Leiche gesehen haben. Lena, die gerade zufällig in der Gegend unterwegs ist, soll sich das Ganze mal ansehen. Als sie den vermeintlichen Fundort erreicht, ist von einer Leiche aber nichts zu sehen. Stattdessen wird die Kommissarin von einer Gruppe Jugendlicher niedergeschlagen und in ihre Gewalt gebracht. Fünf uniformierte Jungs, die aus einem Resozialisierungscamp für jugendliche Straftäter getürmt sind, wollen zu Fuß über die Grenze nach Frankreich. Und Lena soll jetzt ihre Geisel sein.

Mit ihren eigenen Handschellen gefesselt schlägt sich die taffste aller "Tatort"-Kommissarinnen wahrlich heldenhaft. Ein zum Zerreißen gespannter Drahtseilakt zwischen subtilen Mordermittlungen, pädagogischer Einfühlung und blankem Überlebenskampf. Denn diese Burschen, die sich selbst als Abschaum begreifen, scheinen zu allem bereit. Allen voran ihr Anführer Tom, gespielt von einem wieder mal beängstigend guten Frederick Lau. Während sich Kopper an die schwierige Verfolgung macht, kommt eine gefährliche Dynamik in die Gruppenhierarchie. Was für ein Psychodrama im Pfälzer Unterholz!

Gegen Ende ereilt einen dann doch noch das bisschen Diskursfernsehen, das sie sich beim Ludwigshafen-"Tatort" einfach nicht verkneifen können. Die Jungs hatten alle eine schwierige Kindheit, und so ein paramilitärisches Drill-Camp ist vielleicht doch nicht die richtige Brücke zurück in die Mitte der Gesellschaft. Auch Lena Odenthal darf ein paar intime Bekenntnisse aus ihrer traumatischen Jugend preisgeben. Aber das alles wird sehr dezent und angemessen präsentiert. Die Kommissarin war schon lange nicht mehr in solcher Topform zu bewundern. Und Kopper macht am Ende das, was er noch besser kann als Mörder zu verhaften. Risotto nämlich. Die Zutaten sind vom Feinsten. Wer würde das diesmal bestreiten?

("Tatort: Der Wald steht schwarz und schweiget", Sonntag, 13. Mai, 20.15 Uhr, ARD)