Overkill und Ohrenwackeln: So war „Wetten, dass …?” mit Markus Lanz

Am Ende, als nach über drei Stunden die Außenwette aufgelöst, der Wettkönig gekürt und den Gästen gedankt war, so wie früher auch — am Ende stand er ganz links außen. Sah fast so aus, als hätten sie ihn an den Rand gedrängt, die vielen Prominenten, die zur großen ZDF-„Wetten, dass ...?"-Comebackausgabe eingeladen worden waren, sicherheitshalber. Markus Lanz, mit schwarzer Weste und hochgekrempelten Hemdsärmeln, wie ein Landarzt, der eben eine komplizierte Kälbchengeburt hinter sich gebracht hatte, moderierte die bisher wichtigste Show seines Lebens vom linken Bildschirmrand aus zu Ende.

Und komischerweise musste man da plötzlich doch wieder an Thomas Gottschalk denken. Daran, dass der eigentlich immer in der Mitte stand, sich notfalls reindrängelte. Dass der alte „Wetten, dass ...?"-Moderator die Leute auf der Bühne um sich scharte, anstatt ihnen höflich über die Schulter zu gucken. Was viele Zuschauer Gottschalk in den letzten Jahren immer vorgeworfen hatten, seine Eitelkeit, das verzettelt Großmäulige, den Silvesterparty-Humor — komisch, plötzlich fehlte es einem.

Feststellen muss man trotzdem gleich: Das lang erwartete, von zahllosen Prognosen und Countdowns eingeleitete „Wetten, dass ...?"-Debüt des 43-jährigen Lanz war alles andere als ein Reinfall. Als der besagte Gottschalk — nach dem verhängnisvollen Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch — die Moderation der Sendung Ende 2011 abgab, nach insgesamt 22 Jahren, hatten viele empfohlen, den alten Showkäse doch am besten gleich einzustellen. Das, so zeigte sich am Samstagabend, wäre schade und völlig unnötig gewesen: Die Menge an klassisch guten TV-Momenten, die eine solide „Wetten, dass ...?"-Ausgabe liefert, ist immer noch beachtlich groß. Vor allem im Vergleich zu Schrott wie dem „Supertalent", mit dem sich der besagte Gottschalk zeitgleich auf RTL nass machte. Von Parallelguckern hörte man, es sei dort wie so oft hochnotpeinlich zugegangen.

Was gut war an der ersten Lanz-Ausgabe: Karl Lagerfelds trockene Antworten auf doofe Fragen. Der Mann, der vom Slackline-Seil aus Fußball-Fallrückzieher schießen kann. Der andere Mann, der per Ohrenwackeln Nachrichten morst. Die Außenwette mit knapp 500 nackten, bemalten Düsseldorfern, die sich zum Fortuna-Vereinswappen zusammenlegten. Der grandios gruselige Auftritt des Kindes mit der nützlichen Fähigkeit, das Berliner S-Bahnnetz auswendig zu kennen. Vor allem: der großartige Wotan Wilke Möhring, den man als Aus-der-Hüfte-Entertainer überhaupt nicht auf dem Zettel hatte. Und der an einer Stelle Lanz frech die Textkarte entriss und den Auftritt von Jennifer Lopez selbst anmoderierte.

Was ein passendes Bild ist für den größten Mangel, den Markus Lanz bei seiner Premiere offenbarte: Die Art von Führungspersönlichkeit, die man für eine Show dieses Kalibers sein muss, die ist er nicht. Vielleicht noch nicht. Man kann sich gut vorstellen, dass ein Talkmaster eingetrichtert bekommt, sich möglichst nicht zu sehr in den Vordergrund zu spielen, seinen Gästen Raum zu geben, bescheiden und höflich zu sein. Auch „Wetten, dass ...?" kann man natürlich so moderieren. Besondere Farbe, echten Drive gibt man der Sendung dadurch allerdings nicht.

Es gab im Lauf der 195 Minuten Phasen, in denen Lanz fast wie ein Reporter wirkte, der seine eigene Show kommentierte — anstatt das Geschehen an sich zu reißen, den roten Faden zu knüpfen, den Draht zum Publikum zu halten, an den richtigen Stellen auch einfach zu schweigen. Ganz altmodisch: Stimmung zu machen. Gottschalk, so platt er oft auch war, konnte das. Lanz gelang es überhaupt nicht. Selbst in der Halle in Düsseldorf war es oft verdächtig still.

Erschwerend kam hinzu, dass die Redaktion beim Makeover der Show einige neue Elemente hinzugefügt hatte, ohne dafür alte rauszuschmeißen. Comedy-Einlagen von Cindy aus Marzahn galt es durchzuwinken, Prominente musste den Wetteinsatz gleich vor Ort einlösen, in einer „Schlag den Raab"-artigen Challenge trat Lanz gegen einen Zuschauer an. Zwischendurch wurde es furchtbar hektisch. Tiefpunkt war der Auftritt des armen „Switch Reloaded"-Komödianten Michael Kessler, der eine Ruderwette als Günther-Jauch-Imitator kommentieren musste. Das war einfach zu viel. Da lachte niemand.

Folglich geben wir Markus Lanz jetzt eine Drei-plus-Note für sein Debüt, gratulieren ihm zur sicher fantastischen Quote. Retten uns mit dem üblichen Gefasel, dass man dem Mann ja auch erstmal etwas Zeit zur Eingewöhnung zugestehen muss. Und warten auf die nächste „Wetten, dass ...?"-Ausgabe am 3. November in Bremen. Immerhin hat der Relaunch bewiesen, dass am Grundkonzept der Party nichts falsch ist. Man muss nur wissen, wie man sie in Schwung bringt.