Private Enthüllung: Outet sich der Frankfurter “Tatort”-Kommissar?

Es ist ein Fall, der wirklich an die Nieren geht — und grandios unterhält: Auf ihrer dritten gemeinsamen Ermittlung jagen die neuen Frankfurter „Tatort"-Kommissare einen bestialischen Serienkiller und verraten überraschend viel über ihr Innerstes. Wenn Frank Steier (Joachim Król) seine kokett-kesse Kollegin Conny Mey (Nina Kunzendorf) mit den titelgebenden Worten „Es ist böse" vorwarnt, dann sollte man ihm diesmal wirklich glauben. Der erste „Tatort"-Schauplatz, eine heruntergekommene Nutten-Wohnung, ist über und über blutverschmiert.

Das Mordopfer, eine Prostituierte, wurde mit zahllosen wütend ausgeführten Messerstichen hingerichtet. Was man als Zuschauer lernt und angesichts der grauenhaften Bilder lange nicht vergisst, ist das Erkennungszeichen des Triebtäters: ein sogenannter „postmortaler Kehlkopfschnitt", mit dem er die bereits toten Frauen schändete. Was den Fall so unheimlich macht: Bei seiner Gewaltorgie muss der Unbekannte mit eiskalter Vorsicht vorgegangen sein: Keine einzige verräterische Spur ist zu finden — weder eine Hautschuppe noch ein Schweißtropfen oder gar ein Fingerabdruck.

Der Druck auf den verschlossenen Grübler Steier und seine offenherzige Partnerin mit der Vorliebe für die knapp geschnittenen Oberteile erhöht sich mit jeder Minute: Fieberhaft müssen sie erste Erfolge vorweisen — und tappen im von Regisseur Stefan Kornatz besonders abgebrüht inszenierten Krimi quälend lange im Dunkeln. Und dabei steigt die Spannung gnadenlos weiter an: Schon bald führt Kommissarin Mey, die diesmal seltsam verletzlich wirkt, der Hinweis eines zwielichtigen Zeitungsreporters (Martin Kiefer) zu einem zweiten Mordfall: Erneut wurde eine Prostituierte getötet — erneut brutal zugerichtet durch Messerstiche. Verwertbare Spuren? Fehlanzeige!

Und nun kommt der Punkt, an dem andere Filme kippen könnten. Nicht aber in dieser spektakulär gelungenen HR-Produktion. Angesichts des immensen Fahndungsfrusts liegen beim sonst so routinierten, fast abgezockt agierenden Ermittlerteam die Nerven blank — und der Film erlaubt es ihnen, es ein wenig menscheln zu lassen. Weil sie an dem Fall fast zerbricht, lässt sich die sonst so taffe Kommissarin degradieren und zum Bereitschaftsdienst versetzen. Doch auch Einzelgänger Steier kommt mit seinen üblichen Ausflüchten — wenn er sich etwa nachts in sein Büro einsperrt, um sich bei Jazz-Musik volllaufen zu lassen — nicht mehr weiter. Als Mey ihn in einer der bewegendsten Szenen des Films direkt fragt, wie er mit dem enormen Stress fertig wird, reagiert er völlig überraschend und offenbart ihr sein privates Geheimnis: Steier hat einen "Freund", bei dem er Trost und so etwas wie Wärme findet.

Dass das Coming-out des womöglich ersten schwulen „Tatort"-Kommissars der ARD-Geschichte nicht reißerisch ausgeschlachtet, sondern ganz beiläufig angedeutet wird, ist eine große Stärke des ohnehin großartigen Films. Denn nach dem kurzen Abstecher ins Private geht das Ermitteln nicht minder dramatisch weiter. Und das ist ganz einfach gut so.

("Tatort: Es ist böse", Sonntag, 22. April, 20.15 Uhr, ARD)