“Tatort” aus Weimar mit Ulmen und Tschirner: Das bisschen Spaß darf sein

„Das ist Messing, Lessing“, schüttelreimt die Kommissarin kess. Später zieht sie ein lebloses Felltier aus dem Motorraum ihres Dienstwagens hervor: „Sieht mir nach nem klassischen Selbstmarder aus!“ - Der Humor kommt gut abgehangen und fein dosiert im sogenannten „Event-Tatort“ mit Nora Tschirner und Christian Ulmen aus Weimar. Und doch wird es wohl wieder Kontroversen geben: Ist so viel ironischer Unernst angebracht beim feierlichen Sonntagabendhochamt der krimiverrückten TV-Nation?

Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) ermitteln im Weimar. (Bild: MDR / A. Wünschirs)
Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) ermitteln im Weimar. (Bild: MDR / A. Wünschirs)

Nun, es ist nicht Sonntag, sondern der zweite Weihnachtsfeiertag. Und die Anmutung ist auch nicht die eines klassischen „Tatorts“, da die ehemaligen MTV-Moderatoren Nora Tschirner und Christian Ulmen, die beide nie eine Schauspielschule von innen sahen, unter der vorzüglichen Regie von Fransika Meletzky vergnügt auf Screwball-Touren kommen. Dass es diesen thüringischen Außer-der-Reihe-„Tatort“ überhaupt gibt, ist dem MDR zu verdanken, der ein neues „Tatort“-Konzept per öffentlicher Ausschreibung suchte.

Den Zuschlag aus rund 100 Bewerbungen erhielt bekanntlich das junge Erfurter Team um Friedrich Mücke und Alina Leshvin, das mit Topquote und miesen Kritiken unlängst sein Debüt am Sonntagabend gab. Deutlich besser aufgegangen, das darf man konstatieren, ist das Weimarer Alternativkonzept, das den Senderoberen einerseits zu gewagt erschien, andererseits aber zu reizvoll, um in der Schublade zu verschwinden. Jetzt ist es also ein „Event“ – den Begriff darf man in diesem Fall getrost als Vorwarnung begreifen: Bitte nicht zu ernst nehmen!

Mit vielen schönen Reminiszenzen an das Krimifernsehen aus Großvaters Zeiten entwickelten die Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger ein geradezu aufreizend altmodisches Täterrätsel. Vermisst wird eine stadtweit verhasste Kleinindustriellenwitwe, Brigitte Hoppe. Ihre Rostbratwurst, „Die Fette Hoppe“ genannt, ist offenbar eine kulinarische Köstlichkeit, die verschwundene Wurstkönigin selbst ist indes so beliebt wie Gammelfleisch.

Der trunksüchtige Touristenkutscher (Dominique Horwitz), Frau Olm (Ramona Kunze-Libnow) vom Ordnungsamt und Sohnemann Sigmar (Stephan Grossmann) nebst seiner durchtrieben wirkenden neuen Freundin (Palina Rojinski): Sie alle hätten ein Motiv für eine Entführung, wenn nicht sogar Mord gehabt. Den Verdächtigenkreis können die hochschwangere Kommissarin Kira Dorn (Nora Tschirner trug ihren authentischen Babybauch durchs Filmset) und ihr neuer, aus Hamburg in die Kleinstadt versetzter Kollege Lessing (Ulmen) sehr bald schon eingrenzen.

Ansonsten sind die beiden Polizisten viel mit Frotzeleien und subtilen Späßchen beschäftigt. Zwei Typen wie Ulmen und Tschirner, die sich noch aus gemeinsamen Zeiten beim Musikfernsehen kennen, hat die „Tatort“-Reihe in der Tat noch nicht hervorgebracht. Ihr Humor ist – nun ja – speziell, aber in sich äußerst stimmig und treffgenau. Und natürlich ist er Geschmackssache – oder wie Christian Ulmen sagt: „Entweder du checkst es oder eben nicht.“

Die ARD-Oberen scheinen die vielen versteckten Pointen und Anspielungen verstanden und gemocht zu haben – noch vor der Ausstrahlung wurde beschlossen, das mit Ulmen und Tschirner ein weiterer „Tatort“ gedreht wird. Eine mutige Entscheidung, da niemand voraussehen kann, wie dieses weihnachtliche Humor-Experiment beim Fan-Volk ankommt. Nicht dass sich dieser jederzeit bissige und wieselflinke „Tatort“ dann doch als kommerzieller Selbstmarder entpuppt.

(„Tatort: Die Fette Hoppe“, Donnerstag, 26. Dezember, 20.15 Uhr, ARD)