„Total Blackout – Stars im Dunkeln”: Zuschauerfolter in Schwarz-Weiß

Spätestens seit dem RTL-Dschungelcamp „Ich in ein Star — Holt mich hier raus" kann sich jeder Fernsehsessel-Phobiker gut vorstellen, dass es angenehmere Aufgaben gibt, als mit tastenden Fingern im Unrat herumzuwühlen und dabei unerwartete Ekel-Begegnungen mit Spinnen, toten Fischen, Schlangen oder übel riechendem Glibber zu machen. Noch schlimmer wirkt die Prüfung in absoluter Dunkelheit, wenn sich der wirkliche Horror im Kopf entfaltet — nur weil man eben nicht weiß, was sich da im Finsteren, so haarig, glitschig oder kalt anfühlt.

Die neue RTL-Samstagabend-Show „Total Blackout — Stars im Dunkeln" gammelte schon länger sendefertig in den Archiven herum. Nun hielt sie an einem der heißesten Sommerabende des Jahres, wie man nur hoffen kann, nicht allzu viele Zuschauer von Wichtigerem wie Grillen, Chillen oder den Grillen-Lauschen ab. Erneut versuchte ein Format, auf den latent vorhandenen Sadismus des Fernsehpublikums zu setzen. Einmal mehr ging es darum, vermeintliche „Stars" - bei denen es sich in Wirklichkeit um hoffnungslose Fälle wie Roberto Blanco, „Promifriseur" Udo Walz, Dolly Buster oder Liliana Matthäus sowie um TV-Treibgut aus Casting- und Krawallshow-Gescheiterten wie Rolf „Ich war mal Heidi-Juror" Scheider, Sarah „Dingens" Knappik, Benny „Ich hab ganz panische Angscht" Kieckhäben oder Lorielle London handelte - hämisch begafften Ekelprüfungen zu unterziehen.

Einziger Unterschied: Diesmal ließ RTL bei der lustlos inszenierten Unterhaltungsfolter einfach mal das Licht ausschalten, wenn etwa Jimi Blue und Mama Natascha Ochsenknecht — „im Paket gibt's die billiger", verriet Moderator Daniel Hartwich — im Finsteren Molche oder Schildkröten erkennen mussten. Das Dumme dabei: Anstatt gnädig Dunkel über das läppische Gehampel zu decken, filmte RTL mit Nachtsichtkameras mit. Und das obwohl es wirklich sehr selten etwas Spannendes zu sehen gab.

Das zweite Riesenproblem: Daniel Hartwig durfte tatsächlich moderieren. Und dabei kann er doch vom subversiven, abgrundtief verächtlichen und gelegentlich trotz allem einfach nur großartigen Giftspritzen-Witz der beiden Dschungelcamp-Präsentatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach nur träumen. Roberto Blanco, sicherlich kein Mann, der in seiner langen Karriere die Fettnäpfchen schlafwandlerisch sicher vermied, der aber Hartwichs platte „Sieht man dich im Dunklen überhaupt?"-Witze auch nicht verdient gehabt hätte, brachte überraschenderweise den Gehalt der Sendung am Schnellsten auf den Punkt: „Oh wie schön, es ist vorbei", jubelte er schon nach wenigen Minuten und nach der ersten von leider sehr vielen einfallslosen Fummeleien im Dunkel.

Doch zu früh gefreut. Die Show, die eigentlich keine war, zog sich noch lange hin: Nach einem ersten Durchlauf, in der sogar Paul „The Bachelor" Janke mitstümpern durfte und zum Glück schon nach dem dritten Spiel durch die Falltür im Studioboden abserviert wurde, folgte sogar ein zweiter — diesmal mit den Ochsenknechts. Die durften doch tatsächlich erst kürzlich beim Schwestersender Vox im „Promi-Dinner" mitkochen. Außerdem war in der überflüssigen Runde zwei ein sichtlich genervter Ralf Richter dabei, der anstatt engagiert mitzuspielen, wenigsten ehrlich gähnte.

Siegerin des ersten Durchlaufs — interessiert es wirklich? — wurde übrigens Loriella London. Im zweiten tat Sarah Knappik ernsthaft so, als ob sie der finale Triumph mit einer billigen Taschenlampen-Trophäe freute. „Ich habe noch nie im Leben etwas gewonnen", zappelte es aus der ehemaligen „Dschungelzicke" hyperaktiv heraus. Sie widmete den Preis ihrer Mama und verriet erstaunlich offenherzig, dass sie ihre Familie und ihr Freund bislang für eine Versagerin hielten.

So weit, so erkenntnisreich. Auch Natasha Ochsenknechts diverse Unterleibsoperationen wurden beiläufig in aller Öffentlichkeit ausgebreitet, wenngleich eigentlich nur wenige, aber sehr entscheidende Fragen unbeantwortet blieben. Die bizarrste davon lautet: Warum, in aller Herren der Finsternis Namen, sah es über weite Strecken der Sendung so aus, als ob sich Daniel Hartwich selbst nachsynchronisiert?

Der Billigproduktions-Effekt verlieh der Sendung den Charme einer dieser nachmittäglichen Shoppingsender-Quasselstrecken, die zu Recht in Satiresendungen wie „Switch Reloaded" durch den Kakao gezogen werden. Außerdem blieb natürlich ein beklemmendes Szenario im düsteren Raum: Was, wenn RTL aus dem Trash-Testlauf tatsächlich eine Reihe macht?

Nichts wäre tatsächlich furchterregender als die Vorstellung, eines Tages fiele im heimischen Fernsehzimmer der Strom aus, das gesamte Wohnzimmer wäre in undurchdringliches Dunkel getaucht. Und im Hintergrund liefe wie durch ein technisches Wunder weiterhin im Finstern „Total Blackout". Horror!