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„Wer wird Millionär?“ – Verzocker-Special bei Günther Jauch

Unter zwei Millionen macht er es nicht mehr. Soviel Geld kann man seit neuestem bei Günther Jauch gewinnen. Genauer gesagt, beim „Zocker-Special“ von „Wer wird Millionär?“ Die Sondersendung soll Hasardeure und Draufgänger anlocken, hofft man bei RTL. Es gelten härtere Regeln als beim normalen WWM. Bis zu einer Gewinnsumme von 16 000 Euro darf kein Joker eingesetzt werden. Wer trotzdem einen braucht, verliert alle anderen – und kommt höchstwahrscheinlich nicht mehr an den Jackpot. Sollte Jauchs betuliches Ohrensessel-Quiz noch zum Nervenkiller werden? Eher nicht, wie die gestrige Ausgabe zeigte.


Die ersten Kandiaten kommen kaum über 8000 Euro hinaus, und das auch nur mit Joker. Da ist, zum Beispiel, Birgit. Sie wird als „Germanistin, die keine Herausforderung scheut“ angekündigt. Eine ziemlich unaktuelle Beschreibung, wie sich herausstellt. Das Germanistik-Studium ist lange her, inzwischen vermittelt Birgit Schönheitsoperationen nach Tschechien. Ein kurioser Karriereschwenk, über den man gerne mehr wüsste, aber da ist die Ex-Germanistin schon raus.

Tobias, der nächste Teilnehmer, wird als Poker-Spieler verkauft. Das passt zum Motto der Sendung, das Update schon weniger. „Ich hab inzwischen zum Skat gewechselt“ vertraut der Kandidat Günther Jauch an. Die Kartenspiele seien ohnehin mehr ein Hobby. Tobias studiert Germanistik. Wie der richtige Plural von „Samenbank“ lautet, weiß er trotzdem nicht so recht. Am Ende muss Jauch ihm kräftig helfen. So reicht es für immerhin 32 000 Euro.

Sein Nachfolger, Musikproduzent Florian, muss sich schon mit 1000 Euro zufrieden geben. Wenn es nach reiner Sendezeit geht, müssten es eigentlich 100 000 sein. Gefühlte 15 Minuten verhandelt er mit Jauch über die Frage, welche europäische Hauptstadt die Buchstabenkombination „arsch“ im Namen hat. Am Ende dreht sich Jauch um und winkt mit dem Zaunpfahl – oder eher: mit dem Hinterteil. „Ich zeige Ihnen gerade den Teil einer europäischen Hauptstadt.“ Jetzt ahnt es auch der Musikproduzent: Gemeint ist Warschau. Es hilft nichts. Nach der nächsten Frage scheidet er aus. Die Sendung droht jetzt zum „Verzocker-Special“ zu werden. Aber da ist ja noch Martina.

Martina ist ein Traum aus der Wileda-Werbung. Die patente Power-Mama, die lächelnd den Kopf schüttelt und „Du bist mir einer!“ sagt, wenn Elias vom Garten reinkommt und den Matsch mitbringt. Dann schwingt sie kurz den Mopp und setzt sich zurück in ihren gemütlichen Rattansessel, um Romane für Amazon zu besprechen. Das macht Martina wirklich. Wenn die Bücher schlecht sind, schreibt sie eine „neutrale“ Kritik. Die meisten Romane landen irgendwo zwischen „gut“ und „super“.

Heute sitzt Martina bei Günther Jauch. Nach zehn Minuten hat sie schon 16 000 Euro auf dem Konto. Ganz ohne Joker. Jetzt lautet die Frage, welche Berufsgruppe einen „Râteau“ braucht. Sind es die Sommeliers? Martina weiß es nicht, sie trinkt keinen Alkohol. Aber dafür hatte sie mal Französisch – bei demselben Lehrer, der jetzt ihren Sohn unterrichtet. An das Wort „Râteau“ kann sie sich nicht erinnern. Der Joker muss her.

Er sitzt im Publikum. Streng genommen ist es ein Super-Joker, denn der Mann ist Diplom-Übersetzer von Beruf. „Râteau“ bedeute „Rechen“, sagt der ältere Herr. In diesem Fall sei das Gerät gemeint, mit dem der Croupier im Casino die Spielchips zusammenkehrt. Martina lächelt. Soll sie noch einen Joker einsetzen? Sicher ist immerhin sicher. Vielleicht ist der nächste Joker ja Sommelier. Jauch wirkt etwas ermüdet, seine Vorstellung von Draufgängertum ist das nicht. Zum Glück ist die Sendezeit vorbei. Martina bleibt drin, die nächste Zockerrunde wird vertagt.