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„Wer wird Millionär?“: Bismarck-Nachkomme zockt 750.000 Euro ab

Verkehrte Welt bei „Wer wird Millionär?“: Selten hat man Günther Jauch, den alten Routinier, so fassungslos, so angespannt und nervlich ausgelaugt gesehen, wie bei der Zocker-Spezialausgabe, in der mit Cornelius von Bismarck ein derzeit arbeitsuchender Fernsehredakteur aus Hamburg 750.000 Euro gewann – und nur ganz knapp an der Zwei-Millionen-Euro-Frage scheiterte. Was den Moderator so aus der Ruhe brachte, war dabei nicht die Tatsache, dass er es mit einem Kenner zu tun hatte, der nicht nur knifflige Fragen lösen konnte, sondern der auch viele Mechanismen der Sendung gut durchschaute.

Günther Jauch war baff, wie abgebrüht seine Kandidaten zockten. (Foto: RTL/Stefan Gregorowius)
Günther Jauch war baff, wie abgebrüht seine Kandidaten zockten. (Foto: RTL/Stefan Gregorowius)

Nein, es wirkte sogar, als hätte Günther Jauch dem Mann, der in direkter Linie vom Bruder des Eisernen Kanzlers Otto von Bismarck abstammte und damit zu einem der ältesten deutschen Adelsgeschlechter zählt, den Zwei-Millionen-Euro-Sieg ehrlich gegönnt. Süffisant erinnerte der RTL-Mann daran, dass Blaublüter Cornelius so etwas wie das „schwarze Schaf der Familie“ sei – wegen schlechter schulischer Leistungen und der vielen Sorgen (und hohen Kosten), die er seinen Eltern bereitet hatte. Damit versuchte Jauch Bismarck ein wenig auf den Boden der Tatsachen zu holen – bevor er ihm herzlich zum bislang zweithöchsten Gewinn in der Geschichte der Sendung gratulierte.

Cornelius von Bismarck hätte auch die Zwei-Millionen-Antwort gewusst. (Foto: RTL/Frank Hempel)
Cornelius von Bismarck hätte auch die Zwei-Millionen-Antwort gewusst. (Foto: RTL/Frank Hempel)

Was den Showmaster tatsächlich fürchterlich irritierte: Bismarck hatte auf dem Weg zum Sensationsgewinn zwar souverän gepunktet, aber eigentlich fast alles falsch gemacht, was man falsch machen könnte. „Sie haben vier Joker verdaddelt und hätten nicht einen einzigen gebraucht“, sagte Jauch und erinnerte seinen Kandidaten daran, dass er mit seiner spontan herausgesprudelten ersten Antwort stets goldrichtig lag. So wusste Bismarck beispielsweise, dass „Bärenmarder“ ein Alternativ-Name für den Vielfraß ist. Trotzdem setzte er sicherheitshalber den 50:50-Joker ein – nur um sein eigenes erstes Urteil zu bestätigen.

Regelrecht Bewunderung brachte Jauch dem Zocker entgegen, als der wusste, dass neuerdings die winzige britische Exklave Gibraltar in die UEFA aufgenommen wurde und sich damit zumindest theoretisch für eine Teilnahme an der Fußball-Europameisterschaft bewerben darf. „Das hätte ich mir niemals zugetraut“, lobte Jauch Bismarcks richtige Entscheidung. Der 35-Jährige hatte zur Absicherung kurz noch seinen Bruder, einen Juristen, angerufen, der ihm zum Vatikanstaat riet. Kaltblütig ignorierte Cornelius von Bismarck die Empfehlung – und kämpfte sich so bis zur Zwei-Millionen-Frage vor. Und es war erst das zweite Mal überhaupt, dass diese Frage gestellt wurde. „Sie haben echt Geschichte geschrieben“, sagte Jauch.

Jauch war fassungslos, dass sein Kandidat die vier Joker verpulvert hatte. (Foto: RTL/Frank Hempel)
Jauch war fassungslos, dass sein Kandidat die vier Joker verpulvert hatte. (Foto: RTL/Frank Hempel)

Dort allerdings kam der forsche junge Mann, der im Rückblick zu vorschnell seine vier Zockerspecial-Joker verpulvert und es sich zwischenzeitlich sogar unnötig hochtrabend mit dem Studio-Publikum verscherzt hatte, an seine Grenzen. Es galt, eine Märchen-Frage zu lösen, bei der es um eine berühmte Gebrüder-Grimm-Gestalt ging, die ihr Überleben der Schusseligkeit von Dienern verdankte. Die richtige Antwort – Schneewittchen (weil die Sargträger stolperten und sich so das Apfelstück im Hals löste) – wusste eine Dame aus dem Publikum, die Cornelius von Bismarck zu diesem Zeitpunkt nicht mehr befragen durfte. „Jetzt hätte ich ein paar Joker gut gebrauchen könnten“, analysierte er seine Lage kurz zuvor realistisch – und zog sich aus dem Spiel zurück. Auch das war – rückblickend – die falsche Entscheidung: Die richtige Schneewittchen-Antwort hätte er, wie er letztlich zugeben musste, zumindest korrekt geraten. Jauch konnte und wollte das schon gar nicht mehr glauben.

Wermutstropfen einer Sendung, die zum Schluss hin hochspannend wurde: Anders als von Bismarck, der erst nach und nach die Sympathien mühsam zurück gewann, die er anfänglich durch schnöselige Arroganz verspielt hatte, hätten viele Zuschauer – und sicherlich vor allem die im Studio Mitfiebernden – dem ebenfalls 35-jährigen Daniel Heim einen hohen Sieg gewünscht. Der Angestellte einer Berliner Spielbank fiel durch abgebrühte, aber sympathisch trocken-humorvolle Kaltschnäuzigkeit auf. Und alles wirkte, also ob er es im Zocker-Quiz weit bringen würde.

Sogar ihm selbst waren seine Stärken bewusst, so dass er sich zu Frotzeleien und mutigen Rededuellen mit Jauch hinreißen ließ. So erzählt er von einem bizarren Todesfall aus dem Kasino, bei dem ein Spieler erst nach einiger Zeit tot vor einem Spielautomaten aufgefunden wurde. Niemand hatte mehr mit ihm gesprochen. Jauch wollte das erst nicht recht glauben. Heim parierte frech: „Wenn Sie tot auf dem Stuhl sitzen, wird die Gesprächsführung mit Ihnen ja auch schwierig.“ Jauch war baff – und beschloss endgültig, den kessen Berliner, der ihn in seiner Schnodderigkeit vermutlich ein wenig an sich selbst erinnerte, richtig zu mögen.

Umso trauriger wirkte er, als Heim an einer Fang-Frage scheiterte, die wirklich doof und deplatziert wirkte. Wie der Großteil des Studiopublikums und vermutlich viele Zuschauer – den Rezensenten jedenfalls inbegriffen – durchschaute er nicht, dass „Sträuße“ keine Vögel sind. Die Mehrzahl von Vogel-Strauß laute ja „Strauße“. Heim scheiterte an dieser fiesen 32.000-Euro-Hürde und ging mit einem schlappen Tausender nach Hause. Gut möglich, dass der Überflieger Cornelius von Bismarck auch diese Frage richtig gelöst hätte. Das behauptete er zumindest, als er selbst zu spielen begann. Sympathischer hat ihn das nicht gemacht.