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Kritik an TV-Specials zum Germanwings-Absturz

Es mehren sich die Meinungen, dass der gestrige Abend keine Sternstunde des deutschen Fernsehens war: Denn obgleich das Interesse an den kurzfristig ins Programm genommen Sendungen zum Flugzeugabsturz der Germanwings-Maschine laut Einschaltquoten außergewöhnlich groß war, haben Zuschauer und Medien-Kritiker ihren Ärger über die spontanen TV-Specials im Netz kundgetan. Vor allem die Sondersendung "Menschen bei Maischberger" um 22.45 Uhr im Ersten, in der man sich kurzerhand entschlossen hatte, das Thema von Griechenland auf die Airbus-Katastrophe zu wechseln, steht im Fokus der Kritik.

Von Wölfen und voyeuristischen Fantasien

Man habe schamlos den Voyeurismus der Massen bedient, meint der TV-Kritiker Frank Lübberding in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu der Sendung von Moderatorin Sandra Maischberger (48), die unter anderem den ehemaligen Rennfahrer und Luftfahrtunternehmer Niki Lauda (66) eingeladen hatte. 75 Minuten lang sei einigermaßen enthemmt über die Ursachen gemutmaßt worden.

Aber nicht ohne währenddessen unentwegt zu betonen, dass man sich angesichts der sehr dünnen Faktenlage auf keinen Fall zu Spekulationen hinreißen lassen dürfe. Auch und vor allem zum Schutz der Angehörigen der Opfer. Ein zugeschalteter ARD-Korrespondent in der Nähe des Unfallorts berichtet dann aber freimütig, es gäbe dort viele Wildtiere, auch Wölfe, und man könne sich "gar nicht ausmalen, was dort mit den Opfern passiert."

"Medienethisch fragwürdige" Berichterstattung

Die Twitter-Reaktionen auf derlei "medienethisch fragwürdige" Berichterstattung sind eindeutig und finden sich allesamt unter dem Hashtag #maischberger: "ARD hätte #Maischberger gestern aus dem Programm nehmen sollen. Kein Informationsgehalt, nur verantwortungslose Spekulation", meint der User Prashant. Und Timo Lokoschat twittert bissig: "Die Analyse des Tages kam heute von Niki Lauda: 'Da muss irgendwas schief gegangen sein da oben'." Die "Süddeutsche Zeitung" verweist auf ihre TV-Kritik: "Jede noch so wilde Vermutung zum Absturz von #4U9525 wird bei @maischberger durchgekaut". Und Nickname Dr. Hannibal Lecter stellt fest: "Widerlich, wie Sandra #Maischberger und Markus #Lanz auf Kosten der Opfer und Angehörigen von Flug #4U9525 Quote machen."

Netz-Tadel auch für "Markus Lanz" und ARD-"Brennpunkt"

Denn auch Talkmaster Markus Lanz (46) hat sich nach Meinung vieler Zuschauer in seiner gleichnamigen Sendung ab 23.05 Uhr im ZDF nicht von seiner besten Journalisten-Seite gezeigt. So ging seine Frage zum Thema Seelsorge ordentlich daneben: "Wie fängt man Menschen auf, die mit solchen Nachrichten konfrontiert werden - buchstäblich aus heiterem Himmel?" Auch der "Brennpunkt" im Ersten, der um 20.15 Uhr lief, muss sich Kritik gefallen lassen: "Der #ARD #Brennpunkt zu #Germanwings #4U9525 ist ein gruseliges Beispiel für das aufblähen von Sendezeit mit Nullinfos", meint der User Wortlooser und Marco Bosch stimmt ihm zu: "@ardde #Brennpunkt Moderatorin sagt: 'nicht der Tag für Spekulationen, es folgen: nur Spekulationen'."

Auch am Mittwochabend wieder Sondersendungen

Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel am heutigen Mittwoch den Unglücksort besucht und man sich neue Erkenntnisse von der Auswertung des Voice-Recorders erhofft, versucht Polit-Talkerin Anne Will in ihrer gleichnamigen Sendung am Mittwochabend nochmals einen Anlauf in Sachen TV-Special: Zum Thema "Der Tag nach dem Absturz - Deutschland trauert" hat sie um 22.45 Uhr im Ersten den evangelischen Theologen Nikolaus Schneider und den Luftfahrtjournalisten Andreas Spaeth eingeladen, der am Dienstag auch bei "Markus Lanz" zu sehen war. Auch dort beschäftigt man sich heute Abend ab 23.00 Uhr wieder mit dem Unglück. Und in der Sendung "stern TV" bei RTL soll ab 22.15 Uhr über die Ursachen des Flugzeugabsturzes nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen berichtet werden.