Interview mit Grimme-Preis-Gewinner Philipp Walulis: „Ich denke, ich werde jetzt Blumen züchten”

von Marion Uschold

Er ist ein wahres TV-Multitalent: Moderator, Autor, Reporter und Redakteur. Jetzt hat Philipp Walulis mit gerade mal 31 Jahren die vielleicht begehrteste Fernseh-Auszeichnung überhaupt gewonnen: den Grimme-Preis.

Philipp Walulis ist der Überraschungs-Gewinner des Grimme Preis 2012 (Foto: TELE5/afk tv)
Philipp Walulis ist der Überraschungs-Gewinner des Grimme Preis 2012 (Foto: TELE5/afk tv)

In seiner Sendung „Walulis sieht fern" nimmt er Dokusoaps wie „Bauer sucht Frau" oder andere Formate wie den „Tatort" auf die Schippe - ganz nach dem Motto „Fernsehen macht blöd — aber auch unglaublich viel Spaß". Dabei veräppelt Walulis die TV-Dauerbrenner nicht nur, sondern seziert deren Konzepte geradezu chirurgisch und präsentiert dem Zuschauer humorvoll den Kern der Sendungen. Das beeindruckte das Grimme-Institut. Laut Jury-Beurteilung kann „Walulis sieht fern" auch als „wertvoller Beitrag zu Medienkritik und Medienpädagogik" durchgehen.

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Philipp Walulis sprach mit Yahoo! über die deutsche Fernsehlandschaft, den Grimme-Preis und den ungewöhnlichen Aufbewahrungs-Ort, den sich Walulis für seine Trophäe überlegt hat.

Philipp, herzlichen Glückwunsch zum Grimme-Preis. Wie hast du erfahren, dass ihr gewonnen habt?
Ich kam gerade aus der Dusche und sah auf dem Handy-Display einen verpassten Anruf von einer Telefonnummer, die ich nicht kannte. Ich habe also nach der Nummer recherchiert und, siehe da, es war Ulrich Spies, Chef vom Grimme-Institut. Ich dachte mir: Was kann der wohl jetzt von mir wollen?

Mal Hand aufs Herz, hast du nach der Nominierung damit gerechnet, den Preis zu bekommen?
Eigentlich nicht, weil die Konkurrenz sehr beeindruckend war. Das sind ja alles Sendungen, die ich selbst gerne schaue wie „Pastewka", „Stromberg" oder die „heute-show" — Da denkt man ganz ehrlich nicht, dass man diese guten Shows schlagen kann.

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Aber eure Sendung hat sich durchgesetzt. Was unterscheidet die eigentlich von den anderen? Wie würdest du „Walulis sieht fern" selbst beschreiben?
Ich würde es unter Protest so beschreiben: Es ist was zwischen „Switch", „Kalkofes Mattscheibe" und einem Medienkritik-Magazin.

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Das ist noch ein bisschen bizarr. Ich realisiere das alles irgendwie noch nicht so richtig. Ich glaube das erst, wenn wir alle den Preis in den Händen halten.

Bekommt der Preis einen Ehrenplatz in deiner Wohnung?
Also ich habe mir den Preis erst einmal im Internet angesehen. Und ich finde er würde sich eigentlich wunderbar als Weihnachtsbaumspitze machen. Ich spiele mit dem Gedanken, den Sockel abzuflexen und als Weihnachtsspitze umzubauen.

Ihr parodiert ja eine Menge Sendungen, ob „Prominent!" oder „Das perfekte Promi Dinner". Du musst ja einen enormen Fernsehkonsum haben, oder?
Ach, über meinen Fernsehkonsum im Allgemeinen mache ich mir keine Sorgen. Ich habe da eine ausgefuchste Möglichkeit gefunden: Man muss ja gar nicht einfach auf blöd den Fernseher anmachen, sondern man kann sich im Programm schon mal die Highlights aussuchen. Man sieht ja auch schnell, welche Sendung ein möglicherweise hohes Mist-Potential hat, weil die Titel einfach schon so dämlich sind.

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Selbst wenn eine Sendung ein hohes „Mist-Potential" hat, wie du es ausdrückst, muss man sie erst mal satirisch gekonnt aufs Korn nehmen — sicherlich nicht einfach. Hattest du schon immer ein Hang dazu?
Die Grundbegeisterung für Satire beziehungsweise das Überspitzen von Sachvehalten war schon immer da. Früher haben wir Satire bereits beim Aus- und Fortbildungsradio M94.5 in München gemacht. Das war dann teilweise „mit dem Holzhammer oben drauf" und natürlich ist auch vieles nach hinten losgegangen, weil keiner die Ironie verstanden hat. Ja, so tastet man sich dann so langsam ran und lernt auch viel dabei.

Wie seid ihr eigentlich auf die Idee von „Walulis sieht fern" gekommen?
Eine Inspiration war das englische Format „Screenwipe" von Charlie Brooker. Wir hatten dadurch eine erste Idee und haben diese dann weiterentwickelt. Das lief dann in Form einer Late-Night-Show im Aus- und Fortbildungskanal afk tv - das auf münchen.tv sendet. Die kleinen Clips, die wir gemacht hatten, waren dann so erfolgreich, dass wir die Idee weiterentwickelten. Alles wurde komplexer und so ist die ganze Sendung dann entstanden.

Und wie entwickelt ihr die konkreten Sendungsinhalte?
Viele Ideen kommen einem schon, wenn man eine Sendung anschaut, die man parodieren will — das passiert dann einfach plötzlich. Man muss es aber schnell aufschreiben, sonst verliert man es wieder. Und was dann die Parodien selbst anbelangt: Ich treffe mich da immer mit Tobias Klose, dem Co-Autor der Sendung. Wir setzen uns abends zusammen und schreiben lustige Sachen auf. Am nächsten Tag versuche ich dann, aus den Notizen etwas zu bauen, was unserer Idee vom Abend dann auch nahe kommt.

Für die Produktion der Sendung hattet ihr ja nur einen winzigen Budgetrahmen — wie hat das funktioniert?
Das ging nur mit dem Enthusiasmus aller beteiligten Menschen, die das mit liebevoller Begeisterung gemacht haben. Dann glaube ich aber auch, dass wir das alles so früher nie hätten machen können. Dank der technischen Weiterentwicklung konnten wir mit einem relativ kleinen Budget tatsächlich etwas Sehenswertes hinbekommen. Mit der ganzen Nachbearbeigung am Computer kann man aus mittelmäßigem Material schon einiges machen.

Apropos Technik, es heißt, du bist ein richtiger Technik-Freak.
Ich denke Nerd ist mein zweiter Vorname. Man hat heute die Möglichkeit, anhand von Schnittprogrammen viel am Bild oder der Farbe zu ändern. Ich hole mir auch Tricks und Tipps aus Foren und sehe mir an, wie das andere machen. Außerdem gehe ich viel ins Kino und hole mir Ideen. Ich schau mir an, wie die Filme gemacht sind und überlege, wie ich das, was die Großen gemacht haben, faken kann.

Das klingt alles nach viel Arbeit. Wie bekommst du das neben deinem beruflichen Alltag auf die Reihe?
Also die Produktion von „Walulis sieht fern" haben wir immer am Abend nach 18 Uhr gemacht. In der Redaktion von afk tv hatten wir dann unsere Ruhe und konnten uns entspannt zurückziehen. Wenn ich dann aber erst mitten in der Nacht nach Hause kam, habe ich mir schon oft gedacht — Warum mache ich das? Aber irgendwie ging das dann schon. Immerhin bin ich auch ein Mensch, der immer erst im zweistelligen Bereich aufsteht - also nicht vor 10 Uhr.

Es heißt auch, ihr hatte absolute Narrenfreiheit beim Sendungsmachen?
Ja, dafür sind wir Tele 5 auch sehr dankbar, denn da hat uns niemand hineingequatscht. Deswegen vielleicht auch dieser exquisite Nachtsendeplatz, denn es hätte ja auch alles schief gehen können.

Mit dem Grimme-Preis ist euch jetzt ja die Prime-Time sicher, oder?
Ich glaube für Satire ist Prime-Time immer schwierig. Aber ich bin guter Dinge, dass man noch näher in Richtung 22 Uhr rückt.

Wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit mit Tele 5?
Die Sendung ist eine Produktion vom Aus- und Fortbildungskanal afk tv. Getragen wird der ja von verschiedenen Gesellschaftern: ProSiebenSat1, dem Bayerischen Rundfunk oder eben auch Tele 5. Klaus Kranewitter, der Leiter von afk tv, hat Kontakt mit dem Chef von Tele 5 aufgenommen. Der war sofort aufgeschlossen und hat gesagt: Ja, kommt doch mal vorbei. Wir sind mit einer Demosendung hingegangen. Das Meeting hat 15 Minuten gedauert. In den ersten 13 Minuten haben wir gemeinsam den Piloten angeschaut. In der restlichen Zeit ging es nur noch darum, welcher Tag, welche Sendezeit usw.

Grimme-Preis mit 31 Jahren — damit kannst du dich jetzt beruflich ja fast schon zurücklehnen.
Ja, ich denke, das war es dann auch. Iris Berben hat mal gesagt‚ mit dem Grimme-Preis ist eine Karriere zu Ende. Ich denke, ich werde jetzt Blumen züchten in einem Bauerndorf in den Alpen. Scherz. Nein. Ich werde jetzt mal abwarten, was passiert. Das Schöne ist, man muss jetzt nicht mehr jedem beweisen, dass das was man macht, gar nicht so schlecht ist.

Folgt eine neue Staffel?
Ja, es sieht sehr gut aus. Ab dem 22. März werden die vier Folgen immer donnerstags um 23:05 Uhr auf Tele 5 wiederholt.

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