„Das Supertalent 2012″: Rock ‘n’ Roll-Uromi

Blonde Mähne, enge Jeans, schwarze Lederjacke, dazu eine rauchige Stimme — dass Rita van Nek schon 63 Jahre alt ist, fällt schwer zu glauben. Die zweifache Uromi hat offensichtlich gute Gene und den Rock 'n' Roll im Blut. Als sie Cyndi Laupers „True Colors" singt, gibt es zu Recht Standing Ovations vom Publikum. „Coole Mama", meint Michelle Hunziker anerkennend, Thomas Gottschalk sagt „ja", nur Dieter Bohlen ist skeptisch: „Ich kenne weltweit keinen Sänger, der mit 63 seine Karriere gestartet hat", meint er. Und: „Ich kann nicht sagen, du schaffst es noch mal irgendwann. Ich glaub nicht dran." Fürs „Supertalent"-Halbfinale reicht es aber auch ohne Bohlens Stimme.

Hat den Rock im Blut: Uroma Rita (Bild: RTL)
Hat den Rock im Blut: Uroma Rita (Bild: RTL)

„Du musst nur deine Gitarre sofort verbrennen"

Leider ist die rockende Uroma dann auch schon eines der Highlights der Show. Charmant kommt auch noch die 46-jährige Karen Ücker, die zusammen mit ihrem Hund einen flotten Barfuß-Hopstanz aufs Parkett legt. Und die beiden Brüder Ratko und Tommy Pavlovic, die seit Kurzem zusammen eine Tanzschule führen, haben sich eine clevere Choreografie rund um zwei Lichtwürfel überlegt: Sie „essen" kleine Lichtportionen und wechseln dabei lässig zwischen Breakdance, Hip Hop und Moondance. Was beliebig klingt, ist eine runde Sache, denn: „Ihr habt den Flow, ihr habt den Groove", wie Michelle Hunziker richtig bemerkt.

Lichtwürfel mit Groove: Tommy und Ratko Pavlovic (Bild: RTL)
Lichtwürfel mit Groove: Tommy und Ratko Pavlovic (Bild: RTL)

Eine Sonderkategorie scheinen diesmal hübsche Wiener Jungs zu bilden. Mit Fredi Kargel (16) und Nikolas Lazic (19) sind sie zumindest doppelt vertreten. Zu unterscheiden sind sie vor allem an den Instrumenten und daran, wie gut sie diese beherrschen: Kargel lenkt seine Gitarre, auf der er zu „You're not Alone" (Mads Langer) eher halbgut klampft, ziemlich ab. „In dir steckt viel mehr, du musst nur deine Gitarre sofort verbrennen", rät Bohlen. Lazic und sein Akkordeon sind dagegen eine Emo-Einheit, die diverse Damen im Publikum dahinschmelzen lässt. Weil Nikolas so gut klingt und aussieht, darf er trotz Gottschalks Akkordeonallergie weiter.

Rauschgoldengel und Zappel-Burlesque

Überhaupt gibt gutes Aussehen diesmal oft den Ausschlag fürs Weiterkommen. Muss es auch, denn die Vertikaltuchchoreografie, mit der sich Anna Léon durch die Lüfte schwingt, ist vom Schwierigkeitsgrad eher Durchschnitt. Weil Léon mit ihren blonden Haaren und dem Rotkäppchen-Cape etwas von einem Rauschgoldengel hat, schafft sie es trotzdem ins Halbfinale. Corinne Turner aus Malta wiederum rettet ihr apartes Äußeres durch einen Burlesque-Tanz, der extrem zappelig ausfällt. Und weil Emil Kusmirek und Simone-Maria Le beim Irish-Breakdance-Verschnitt bzw. Pole Dancing beide gleich schön aussehen, fällt der angekündigte Showdown aus: Es dürfen kurzerhand beide ihr Können in der nächsten Runde beweisen.

Dramatisch oder zappelig? Corinne Turners Version des Burlesque ist Geschmackssache (Bild: RTL)
Dramatisch oder zappelig? Corinne Turners Version des Burlesque ist Geschmackssache (Bild: RTL)

Wer kein derart attraktives Äußeres mitgebracht hat, hat Pech. Wobei es zugegebenermaßen Johannes-Günther Patzelt zusätzlich zu seinem Normalo-Aussehen auch erheblich an Talent mangelt. Der 55-jährige arbeitslose Schlosser möchte seine künstlerische Begabung unter Beweis stellen, indem er das Gemälde „Der Schrei" von Edvard Munch aus dem Gedächtnis nachzeichnet. Leider braucht er viel zu lange für das ungeduldige Publikum und reproduziert dann auch eher ein winkendes Alien als einen expressionistisch deformierten Menschen. Drei Jury-Neins sind die Folge. Als kleines Trostpflaster signieren die Juroren immerhin das „Kunstwerk", damit Patzelt es auf Ebay versteigern kann. Dass das Ganze Dieter Bohlens Idee ist, hätte man nicht erwartet.

Schandmaul mit Herz

Tatsächlich entdeckt das alte Schandmaul in dieser Ausgabe seine weiche Seite — und das nicht nur einmal. Als die beiden vierjährigen Zwillinge Pia und Bianca, die — wenn es nach ihren Eltern gegangen wäre — eigentlich „Ai Se Eu Te Pego" hätten vorsingen sollen, anfangen zu weinen, bricht er die Aktion ab. Er bringt die Kleinen in den Backstage-Bereich und albert mit ihnen herum. „Ich steh eh total auf Kinder" schwärmt er im Anschluss, und schiebt nach: „Für mich war das bis jetzt hinter der Bühne das Schönste, was ich bisher erleben durfte bei ,Supertalent'."Wie süß. Ein unguter Beigeschmack bleibt trotzdem: Mit vier Jahren sind die beiden Mädels bei aller Kinderliebe noch viel zu jung für eine Castingshow. Hier — und nicht bei Rita van Nek — hätte eine Altersgrenze Sinn gemacht.