Kalte Stadt und tiefe Abgründe – alles wie gehabt im Wiener “Tatort”

Nein, ein Fernsehkrimi ist nicht dazu da, Tourismuswerbung für die Region zu machen, in der er spielt - auch wenn man manchmal einen anderen Eindruck haben könnte. Gut, dass die Wiener "Tatort"-Macher das seit jeher auch so sehen und ihre harten, realistischen Fälle nicht etwa vor romantischer Kulisse abzuwickeln gedenken. Das Wien, von dem im neuen Ösi-"Tatort" erzählt wird, ist einmal mehr das Gegenteil vom Fiaker-Idyll der Postkarten, sondern trist, nass und offensichtlich saukalt. Nichts anderes passt zu den menschlichen Abgründen, die sich den Ermittlern Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) hier wieder offenbaren. "Abgründe" (Regie: Harald Sicheritz, Buch: Uli Brée) ist in vielerlei Hinsicht geradezu typisch für die "neue Wiener Tatort-Kultur": wieder so ein extrem dicht inszenierter, hochdramatischer Fall, der die beiden Ermittler weniger als Kriminaler denn als Mensch in den Fokus nimmt und für Eisner zur persönlichen Angelegenheit wird.

Chefinspektor Eisner (H. Krassnitzer) und Major Fellner (A. Neuhauser) im Winter-Einsatz (Bild: rbb / ORF / P. Domenigg).
Chefinspektor Eisner (H. Krassnitzer) und Major Fellner (A. Neuhauser) im Winter-Einsatz (Bild: rbb / ORF / P. Domenigg).

Der Fall beginnt in der niederösterreichischen Provinz. Dort wird ein „Horror Haus“, das Erinnerungen an den Entführungsfall Natascha Kampusch weckt, abgerissen. Fünf Jahre lang wurde das Mädchen Melanie hier gefangen gehalten und von ihrem Peiniger missbraucht, ehe ihr die Flucht gelang. Nachdem der Täter daraufhin Selbstmord verübte, schloss die Polizei die Akte. Doch nun wird bei den Abbrucharbeiten an dem Gebäude in einem Gewölbekeller die Leiche der früheren Leiterin der „SOKO Melanie“, Franziska Kohl, gefunden. Eisner stürzt sich mit fiebriger Leidenschaft auf den Fall, denn Franziska, die nicht an einen Einzeltäter hatte glauben wollen und auf eigene Faust weiter ermittelt hatte, war nicht nur eine Kollegin, sondern dereinst auch seine Geliebte.

Bibi Fellner (A. Neuhauser) wird der Kollege Frey (M. Dangl) immer suspekter (Bild: rbb / ORF / P. Domenigg).
Bibi Fellner (A. Neuhauser) wird der Kollege Frey (M. Dangl) immer suspekter (Bild: rbb / ORF / P. Domenigg).

Eisner und Fellner stoßen von Anfang an auf erstaunliche Widerstände, auch in den eigenen Reihen. Und je tiefer die Ermittlungen sie hineinführen in einen undurchsichtigen, aber eindeutig widerwärtigen Sumpf aus Korruption und Pädophilie, desto brutaler setzen sich die Verdächtigen zur Wehr. Natürlich. Da steht für einige saubere Herren eine Menge auf dem Spiel. Aber die Scheinheiligen, die Hinterfotzigen und Selbstgerechten aus der sogenannten „feinen Gesellschaft" waren schon immer die Lieblingsfeinde von Eisner und Fellner, für die es einmal mehr heißt: Zwei Ermittler gegen den Rest der Welt.

Normalerweise wäre es nun eine Freude, den beiden beim Sezieren dieses Filzes zuzusehen, doch die Autoren hatten diesmal anderes mit Eisner und Fellner vor. Das Ganze wird irgendwann vom Fall zum Krieg. Und in der grau-kalten Kulisse wirken die Protagonisten mit ihren Mützen, Schals und hochgeschlagenen Kragen tatsächlich manchmal wie Verzweifelte in einer Winterschlacht.

("Tatort: Abgründe", Sonntag, 2. März, 20.15 Uhr, ARD)