Neuer “Tatort” mit Wotan Wilke Möhring: Dicke Fische am Containerhafen

Am Ende trifft Kommissarin Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) den Nagel auf den Kopf, wenn sie sagt: "Die Geschichte glaubt uns kein Mensch". Denn "Kaltstart", der dritte "Tatort"-Krimi mit dem jungen Duo Katharina Lorenz und Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring), entpuppt sich als Fall mit beinahe absurd erscheinendem Hintergrund und geht, was die Glaubwürdigkeit angeht, leider ziemlich baden. Aber richtig stark inszeniert ist das Ganze eben schon - was das Werk von Regisseur Marvin Kren (Buch: Volker Krappen und Raimund Maessen) zur zwiespieltägen Sache geraten lässt: Während man über die enormen Schauwerte nur staunen kann, bleibt einem angesichts all der Übertreibungen um internationale Verbrechersyndikate, die offenbar bis in allerhöchste Kreise verstrickt sind und sogar mit Drohnen-Einsatz arbeiten, nurmehr ein Kopfschütteln.

Katharina Lorenz (P. Schmidt-Schaller) und Falke (W. Wilke Möhring) versuchen die Drahtzieher einer Schlepper-Bande aufzuspüren (Bild: NDR / B. Laewen).
Katharina Lorenz (P. Schmidt-Schaller) und Falke (W. Wilke Möhring) versuchen die Drahtzieher einer Schlepper-Bande aufzuspüren (Bild: NDR / B. Laewen).

Das coole Lederjacken-Gespann Falke/Lorenz wurde frisch zur Bundespolizei befördert, um dort gegen Schleuserkriminalität vorzugehen. Und die beiden sind natürlich per se schon mal eine Wucht: Sie die klare, nüchterne Ermittlerin, er der emotionale Cop, der auf Anhieb auch persönlich involviert ist. Zwei junge Polizisten wurden in der Nähe des Container-Terminals in Wilhelmshaven bei einem Bombenanschlag getötet - eines der Opfer war einst mit Falke zusammen. Und der reagiert: Falke ist aufbrausend, unkontrolliert und überzieht in seiner Ansprache gegenüber den Kollegen einige Male sehr heftig. Der Kommissar gibt als neuer Chef einer Ermittlungs-Abteilung zunächst keine wirklich gute Figur ab. "Ein Scheiß-Kaltstart", sei das, mault Thorsten Falke über seinen ersten Einsatz als Bundespolizist.

Die Kommissare ahnen nicht, dass ihnen Jertz (A. M. Hennicke) hinterherspioniert (Bild: NDR/Laewen).
Die Kommissare ahnen nicht, dass ihnen Jertz (A. M. Hennicke) hinterherspioniert (Bild: NDR/Laewen).

Nur zäh kommen Falke und Lorenz mit ihren Nachforschungen, die sie ins hochprofessionell organisierte Menschenschmugglermilieu führen, voran. Was den Kommissaren verborgen bleibt - dem Zuschauer aber schon schrittweise vor Augen geführt wird, ist die Monstrosität der Verschwörung. Selbst am Ende ahnt man daheim aud der Couch noch mehr, als die Kommissare herausgefunden haben - was darauf schließen lassen könnte, dass der nächste Fall der beiden norddeutschen Ermittler, wieder inszeniert von Marvin Kren, zumindest teilweise mit dem Wilhelmshavener "Kaltstart" verbunden sein könnte.

Worauf man sich dann immerhin freuen kann, ist die in Kinomanier gefilmte Kulisse: der hochmoderne, aber praktisch menschenleere Tiefseehafen wird in diesem gewaltig übertreibenden Thriller famos in Szene gesetzt. Ebenso grandios sind die Darsteller - allen voran brilliert Andreas Patton in der Rolle des komplett durchgeknallten Spediteurs Dreyer, der sein ganzes Geld bei Spekulationen am Containerhafen verlor. Aber auch André M. Hennicke als eiskalter Strippenzieher, der aber vielleicht auch nur ein Handlanger von noch viel Mächtigeren ist, macht seine Sache so gut, dass man diesen ganzen riesigen Irrsinn, der sich hier im Hintergrund auftürmt, fast vergessen möchte.

("Tatort: Kaltstart", Sonntag, 27. April, 20.15 Uhr, ARD)