Ostermontags-”Tatort” aus der Schweiz: Abgründiges im Bergland

Eine Frau wird tot auf einem Luzerner Bahngleis gefunden. Zuvor war die Rothaarige im Dunkeln auf eine Bahnbrücke zugeeilt. Als die zum Tatort gerufenen Ermittler Reto Flückiger und Liz Ritschard (Stefan Gubser, Delia Mayer) den Lebensgefährten der Toten daheim benachrichtigen wollen, finden sie drei Kinder alleine zu Hause vor. Ein starker Moment für jeden psychologischen Krimi, den sich kein Regisseur gerne entgehen lässt. Doch, leider, Liz ruft im neuen Schweizer "Tatort"-Krimi "Zwischen zwei Welten" (Ostermontag im Ersten) gleich eine Psychologin herbei, die die Betreuung der Kinder übernehmen soll - da hätte man zunävhst etwas mehr Einfühlungsvermögen und Mutterinstinkt erwartet. Aber so sind sie halt, die immer etwas störrischen, jedoch zuverlässigen Schweizer Kommissare. Das Behördliche geht seinen Gang, die verwaisten Kinder werden zur psychologischen Betreuung eilends im Krankenhaus versorgt.

Liz (D. Mayer) und Reto (S. Gubser) ermitteln im Mord an einer dreifachen Mutter (Bild: SRF / D. Winkler).
Liz (D. Mayer) und Reto (S. Gubser) ermitteln im Mord an einer dreifachen Mutter (Bild: SRF / D. Winkler).

So haben die Kommissare nun ab sofort die Hände frei und beginnen in der Wohnung der Toten mit ihren Recherchen. Sehr schnell findet sich allerlei esoterisch-spirituelles Lesematerial. Der Geisterseher, der sich als ausgewiesener Profiler geriert, ist da nicht weit - er war eine Art Lehrmeister der Toten. Damit ist glücklicherweise das im Luzerner Tatort gerne genommene Gespenstische, das Gruselmärchenhafte beizeiten abgehakt. Fortan geht es um allein erziehende Mütter, verkannte oder entrechtete Väter und Kinder, die unter den Eltern leiden. Drei verschiedene Väter haben die verwaisten Kinder gezeugt, mit 19 bekam die Tote ihr erstes Kind. Die Väter verdrückten sich - oder es war sowieso nur ein Seitensprung.

Liz (D. Mayer, links), Yvonne Veitli (S. Schneebeli, 2. v. l.) und Flückiger (S. Gubser) stehen vor der Leiche einer jungen Mutter SRF / D. Winkler).
Liz (D. Mayer, links), Yvonne Veitli (S. Schneebeli, 2. v. l.) und Flückiger (S. Gubser) stehen vor der Leiche einer jungen Mutter SRF / D. Winkler).

Geschickt haben die Autoren Eveline Stähelin und Josy Meyer ein Netz aus Erpressung, Sorgerechtsansprüchen und Fluchtbewegungen (nach Indien, in die Mutterschaft) ausgeworfen, in dem sich die Figuren verfangen. Doch statt nahe am Thema zu bleiben und das Alltägliche glaubhaft zu zeigen, bevorzugen die Schweizer dann doch wieder das Grelle und Expressive. Der ums Recht kämpfende Mann muss dann eben gleich ein Steine werfender Wüterich von gemeingefährlichen Ausmaßen sein.

Immerhin gibt dieser "Tatort" den Luzerner Kommissaren genügend Gelegenheit, über den eigenen familiären Werdegang nachzudenken. Reto ist ohne Kinder geblieben, Liz' Mutter ist früh gestorben. Bleibt die Verdrängung - was sonst. Es sind starke Momente in diesem "Tatort" (Regie: Michael Schaerer), die nur vom Verhör-Auftritt der älteren Tochter (großartig: Annina Walt) übertroffen werden. Ihre Anklage gegen egoistische Väter und hilflose Mütter, unter denen die Kinder leiden, die sitzt.

("Tatort: Zwischen zwei Welten", Ostermontag, 21. April, 20.15 Uhr, ARD; am Sonntag, 20. April, läuft im Ersten eine Wiederholung des 2012-er-"Tatort"-Krimis "Hochzeitsnacht" mit dem Team aus Bremen)