Alexandra Neldel zum Letzten: So lief “Das Vermächtnis der Wanderhure” bei SAT.1

Wie kann man das überaus groteske Schauspiel der beiden bisherigen „Wanderhuren"-Filme noch steigern? Die Aufgabe des SAT.1-Events „Das Vermächtnis der Wanderhure" war nicht einfach. Weil es die Macher so wollten, endete nun die Geschichte der von Alexandra Neldel dargestellten Heldin Marie Schärer nach drei Filmen. Am Erfolg liegt es nicht - Teil eins und zwei gehörten mit zehn beziehungsweise acht Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten deutschen TV-Produktionen der letzten Jahre. Da durfte man sich schon die Augen reiben, bei so einem Mittelalter-Mummenschanz mit mieser Schauspielerei und zweitklassiger Action.

Spielen das "Wanderhuren"-Liebespaar: Alexandra Neldel und Bert Tischendorf. (SAT.1 / J. Hanzl)
Spielen das "Wanderhuren"-Liebespaar: Alexandra Neldel und Bert Tischendorf. (SAT.1 / J. Hanzl)

Was konnte diese Marie Schärer schon noch erleben? Nachdem man ihr in Teil eins Ehre, Besitz und Traummann genommen hatte? Nachdem sie sich das alles über das mittelalterliche Berufsbild der Wanderhure - emanzipatorisch top - wiedergeholt hatte? Nachdem sie im zweiten Teil („Die Rache der Wanderhure") den totgeglaubten Michel (Bert „The Waschbrettbauch" Tischenbdorf) aus europäischen Kriegswirren herausgeschält hatte und endlich wieder „Familie pur" genießen durfte? Na ja - wenigstens die Welt retten - das sollte noch drin sein! Tatsächlich erzählt das „Vermächtnis der Wanderhure" von eben dieser vor der offiziellen Geschichtsschreibung bisher geheim gehaltenen Heldentat.

Die Bösewichte waren bisher immer das Beste an der „Wanderhure" auf SAT.1. Stets erinnerten sie an Figuren aus der Geisterbahn. Oder an Blut-Svente und Messer-Jocke aus dem Kinderfilm-Klassiker „Pippi in Taka-Tuka-Land". Das Haar der bad guys ist wirr, körperlich sind sie mitunter entstellt, ihre Gesten sind grimmig und das durch und durch böse Geschrei markerschütternd. Da ist es doch mal was Neues, dass die neue Gegenspielerin der Wanderhure eine zierliche Frau - die schöne Hulda von Hettenheim (Julie Engelbrecht) - ist. Eine Schwangerschaft hat die Chef-Mätresse von König Sigismund (Götz Otto) vorgetäuscht, um nach dem geplanten Tod ihres Gespielen und Herrschers als Königin-Mutter selbst den Thron zu besteigen. Weil dazu aber ein echtes Baby vonnöten ist, lässt Hulda die mit ihrem zweiten Kind schwangere Marie entführen, im Kerker (!) gebären und das Kind als das Ihrige verschleppen.

Intrigant: Hulda von Hettenheim (Julie Engelbrecht). (SAT.1 / J. Hanzl)
Intrigant: Hulda von Hettenheim (Julie Engelbrecht). (SAT.1 / J. Hanzl)

Gemeinsame Sache macht Hulda dabei mit Andrej Grigorjewitsch (Michael Steinocher), dem mit tiefenpsychologisch hochwertigen Traumata versehenen Adoptivsohn des Tatarenfürsten Terbent Khan. Letzterer wiederum will die westliche Welt mit seiner „goldenen Horde" plattmachen. Doch hat er mit diesem mächtigen Feind im Inneren seines gewaltigen Heerlagers gerechnet? Marie Schärer wurde ohne Kinder und Mann hierher verschleppt und soll gegen ihren Willen in ihrem alten Beruf arbeiten. Weil Andrej Grigorjewitsch Schärer-Fan ist, machte er die schöne Fremde zum Aushängeschild seines Harems. Das können natürlich weder Michel noch Marie so auf sich sitzenlassen. Der Tatar gehört durch den Fleischwolf gedreht, die Intrigantin per alttestamentarischem Bibeltrick enttarnt. Schließlich atmet die mittelalterliche Welt auf: Europa wird nicht asiatisch. Marie und Michel bauen sich eine Reihenhausburg - nein, das nicht.

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Seien wir ehrlich. Um historische Fakten, logische Herleitung oder gar authentische Charakterzeichnungen ging es noch nie bei der Wanderhure. Stattdessen um den zeitlich straff organisierten Wechsel von mittelalterlicher Kampfes-Action mit finsteren Verschwörungen bei Kerzenschein. Was man sehen will: nackte Frauen und wuchtige Krieger. War Alexandra Neldel in Teil eins noch selbst fürs Blankziehen verantwortlich, durfte sie sich in Teil zwei nach dem Liebesakt geschickt in Tücher hüllen. Diesmal wurde gleich die schauspielerisch unfreiwillig (?) komische Julie Engelbrecht für den Nackedei-Job verpflichtet. Sie muss mit vollstem Einsatz eine der dramaturgisch unmotiviertesten Sex-Szenen der deutschen Filmgeschichte spielen. Und doch es ist wohl genau diese Mischung aus Pulp-Fiction sowie die allgemeine deutsche Begeisterung für Mittelalterstoffe, welche für den Erfolg der „Wanderhuren"-Filme verantwortlich ist. Ernsthaft kritisch kann man Trilogie um Marie Schärer ohnehin nicht bewerten. Für einen Historienfilm ist die Handlung zu hanebüchen, für ein Drama zu holprig, für einen Abenteuerfilm in Sachen Sex und Gewalt zu familienuntauglich.

Für die Wanderhure (Alexandra Neldel, vorne) wird's mongolisch. (Bild: SAT.1 / J. Hanzl)
Für die Wanderhure (Alexandra Neldel, vorne) wird's mongolisch. (Bild: SAT.1 / J. Hanzl)

Bleibt festzuhalten, dass zwischen den Ritzen und auf den dunklen Flecken der Genre-Zielgruppen offensichtlich eine Menge Publikum haust. Auf weitere Abenteuer der Marie Schärer wird es dennoch wohl verzichten müssen. Obwohl noch zwei weitere „Wanderhuren"-Romanvorlagen des Autoren-Ehepaares Iny Lorentz vorliegen, soll es mit der Filmreihe angeblich nicht weitergehen. Ob es daran liegt, dass Alexandra „die Wanderhure" Neldel sich in der zweiten Hälfte ihrer 30er-Jahre anspruchsvolleren Stoffen widmen will oder sich der Sender bei der Kosten-Nutzen-Rechnung der aufwendigen Film-Spektakel verkalkuliert hat? Die Antwort wird vielleicht auf ewig in den grimmigen Folterkammern der SAT.1-Fiction-Planer verborgen bleiben.