Amok-”Tatort” aus Ludwigshafen: Sträflich unbedarft

So schwerwiegend sich dieser Fall für die Ludwigshafener Kommissare Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) auch ausnehmen mag, es wird ihnen letztlich schrecklich leicht gemacht. Die Leiche eines Schülers wird auf einem einsamen Feldweg gefunden, im nahen Unterholz wird ein improvisierter Schießstand entdeckt samt zerschossener Flaschen, und an der Leiche finden sich Schmauchspuren von einem Gewehr. Ron, 19 und kurz vor dem Abitur, war ein hochbegabter Schüler, aber arrogant und unzugänglich – für seine Eltern ebenso wie für die Lehrer. Und vor allem: Er stand kurz vor dem Rauswurf an seiner Schule, er hatte ein Mädchen, eine Mitschülerin und Nachbarin gemobbt, hatte sie scheinbar nackt gefilmt und erste Aufnahmen ins Netz gestellt – weitere sollten folgen. - Nicolai Rohde inszenierte mit "Freunde bis in den Tod" einen wenig schlüssigen "Tatort"-Krimi aus dem Hause SWR.

Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) ermitteln am PC. (Bild: SWR / A. Kluge)
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) ermitteln am PC. (Bild: SWR / A. Kluge)

Obwohl Rons Freund, ebenso verstockt wie dieser, beharrlich schweigt, liegen die Tatsachen sehr bald so offen auf dem Tisch, dass man die tüchtigen Ludwigshafener Kriminalisten hier nicht beneiden mag. Nicht nur, dass auf dem Handy des toten Schülers alsbald Aufnahmen seines Vertrauenslehrers zum Vorschein kommen, die diesen als heimlichen Spieler kompromittieren. Es finden sich auch selbst entworfene Computerspiele, in denen metallene Terminatorspinnen durch die Gänge einer Schule kriechen – unzweifelhaft Rons Gymnasium.

Gewalt-Computerspiele, ein einsamer, autistischer Schüler, der auf verschrobene Weise die Welt hasst und verbessern will samt einsamer Gewehrübungen – da war doch was? Die Amokläufe von Erfurt und Winnenden sind noch gar nicht so lange her, die Bilder und Schlagzeilen stecken uns gewöhnlichen Menschen noch in den Knochen. Nicht so offenbar den um Stoff ringenden "Tatort"-Machern vom SWR. Der Fall (Drehbuch: Harald Göckeritz) bietet nicht sehr viel mehr als eine Anlehnung an die gehabten Katastrophen. Bezeichnend, dass dieser "Tatort" ursprünglich den Arbeitstitel „Amok“ trug.

Gewaltexzessen entging man allerdings mit einem letztlich nicht wirklich glaubhaften Einfall: Der potenzielle Täter scheidet aus dem Leben, noch bevor er Unheil anrichten kann. Lena Odenthal, die mit Kopper immer wieder den Stand der Ermittlungen bereden muss, sagt es überdeutlich. „Er wäre mit einer Waffe durch die Aula gelaufen, durch die Klassenzimmer, und hätte auf jeden von euch geschossen!“ - Ganz offensichtlich herrscht in den "Tatort"-Redaktionen starke stoffliche Not. Wie sonst konnten die Katastrophen von gestern so unbekümmert zur Blaupause von heute werden? Um Odenthal / Kopper aber muss man sich darüber hinaus ernstlich Sorgen machen. Weil ihre Figuren inzwischen recht lieblos behandelt wirken. Dass die Ludwigshafener Kommissare Gedanken an den Ruhestand mit sich tragen, wie etwa ihre Berliner Kollegen, wollen wir jetzt nicht hoffen.

("Tatort: Freunde bis in den Tod", Sonntag, 6. Oktober, 20.15 Uhr, ARD)