Ein verrückter “Tatort”: “Borowski und der Engel”

Jubiläum im Norden: Seit zehn Jahren ermittelt Axel Milberg als "Tatort"-Kommissar in Kiel. "Borowski und der Engel" ist der 22. Fall für den einst so sperrigen, inzwischen aber äußerst umgänglichen Kriminaler, der zuletzt das traditionelle Kord-Sakko gegen eine gewöhnliche Jacke eingetauscht hat. Weiterhin ungewöhnlich sind allerdings die Fälle, die die Autoren dem nördlichsten "Tatort"-Ermittler vorsetzen. Diesmal schrieb Sascha Arango das Märchen vom schönen, einsamen Engel, der sich eigentlich nur eines wünscht: Aufmerksamkeit. Und dafür geht die Frau über Leichen.

Das Kieler Ermittlerteam Borowski (A. Milberg) und Brandt (S. Kekilli) steht vor einem Rätsel (Bild: NDR / C. Schröder).
Das Kieler Ermittlerteam Borowski (A. Milberg) und Brandt (S. Kekilli) steht vor einem Rätsel (Bild: NDR / C. Schröder).

"Borowski und der Engel" ist einer jener "Tatort"-Fälle, bei denen der Zuschauer von Anfang an weiß, wer der Täter ist. Immer eine gefährliche Sache, denn Krimis wie diese können ihre Spannung nicht mehr wie üblich aus der "Wer war's"-Frage ziehen. Diesmal geht es vor allem um das "Warum?"

Lavinia Wilson spielt die Altenpflegerin Sabrina Dobisch. Sie ist einsam, fühlt sich nicht ausreichend gewürdigt, sehnt sich nach einem Dankeschön von ihren Patienten und der ganzen restlichen Welt. Nachdem sie nachts zufällig beobachtet, wie der Hund einer Frau überfahren wird, kommt sie auf eine Idee: Sie packt die Katze eines gerade verstorbenen Rentners heimlich in ihre Tasche, stellt sich an die Straße und lässt das Tier kurz vor einem heranrasenden Wagen frei. Wenn es dann überfahren wird, so wünscht sie sich, sollen die Menschen auf sie zukommen und sie bemitleiden. Das wäre doch schön. Aber … es kommt alles anders.

Sabrina Dobisch (Lavinia Wilson) hat schwere Komplexe (Bild: NDR / C. Schröder).
Sabrina Dobisch (Lavinia Wilson) hat schwere Komplexe (Bild: NDR / C. Schröder).

Doris Ackermann (Leslie Malton), die Fahrerin des Wagens, reißt das Steuer herum, rast über den Bürgersteig, fährt einen arglosen Passanten tot und landet schwer verletzt mit ihrem Auto in einem Blumenladen. Sabrina Dobisch schaltet erstaunlich schnell und ändert ihren Plan. Während viele Passanten tatenlos umherstehen, zieht sie die Fahrerin aus dem Auto und kümmert sich danach rührend um den sterbenden Passanten. Sofort wird sie von der Presse als Heldin gefeiert, die erwünschte Aufmerksamkeit und Achtung ist ihr gewiss. Aber: Borowski hat, anders als seine Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli), bald schon Zweifel an der Geschichte.

Das Lügengebäude, in das sich der "Engel" verstrickt, wird danach immer höher und verwinkelter. Bereitwillig lässt sich die junge Frau auf ein Abenteuer ein, das eigentlich nicht gut ausgehen kann. Aber sie wird ihre Tage, vielleicht Wochen haben, in denen sich alles nur um sie dreht. Und das genießt sie.

So eine Geschichte, die übrigens ebenso verrückt und absurd weitergeht, glaubt natürlich kein Mensch. Wer also vom "Tatort" erwartet, dass er gefälligst realistisch zu sein habe, muss sich am letzten Sonntagabend des Jahres etwas anderes vornehmen. Wer aber einfach nur abwechslungsreich unterhalten werden will und darüber hinaus Gefallen an tollen Schauspielern findet, der ist bei "Borowski und der Engel" gut aufgehoben. Zumal der Film am Ende noch mit einer echten Überraschung aufwartet. Denn für den Engel endet das alles so ganz anders als man vermutet hätte …

("Tatort: Borowski und der Engel": Sonntag, 29. Dezember, 20.15 Uhr, ARD)