Fiesling forever: Zum Tod von Larry Hagman, der J.R. Ewing war

Geliebter, böser Cowboy: Larry Hagman als J.R. Ewing, mit Linda Gray (Sue Ellen) (Foto: ddp images)
Geliebter, böser Cowboy: Larry Hagman als J.R. Ewing, mit Linda Gray (Sue Ellen) (Foto: ddp images)

Es war sein Grinsen. Das fiese, breitgezogene Zähneblecken, bei dem sich automatisch die Kinnkante nach vorne schob. Ein prächtiges, böses Lächeln, dem man schon aus zehn Meilen Entfernung die Schadenfreude ansah — auch wenn man gar nichts davon wusste, dass John Ross Ewing, genannt J.R., gerade wieder irgendeinen unerfahrenen Ölpionier in den Ruin getrieben, ein Geheimnis seines Bruder Bobbys ausgepetzt oder die Ehefrau eines Geschäftspartners ins Bett manövriert hatte.

Das Besondere, ab und zu Befremdliche daran: Larry Hagman lächelte immer so. Auch wenn er auf dem roten Teppich oder privat bei einem Baseballspiel fotografiert wurde. Auch in Interviews, sogar dann, wenn er ab und zu noch mal andere Fernsehrollen spielte. J.R., der alles beherrschende Bösewicht aus der Fernsehserie „Dallas", war kein Werk von Maskenbildnern, Ausstattern, Schauspieltrainern. J.R. war Larry Hagman, wie er leibte, lebte und grinste. Gestört hat es ihn nie. Der deutsche Mime Götz George kämpft ja seit Jahrzehnten dagegen, auf seinen Kommissar Schimanski festgelegt zu werden, auch Robert Pattinson wird den kleinen Vampir noch verfluchen. Larry Hagman schien es zu genießen, mit seiner großen Figur verwechselt zu werden. J.R. zu sein, das muss sich gut angefühlt haben.

Nun ist Larry Hagman gestorben, zwei Monate nach seinem 81. Geburtstag, in Dallas, an Krebs. Und es kommt einem schon etwas komisch vor, einem Toten die letzte Ehre zu geben und dabei doch immer wieder zu betonen, was für ein fieser Kerl er im Fernsehen war. Kann sich keiner an eine schöne Rolle erinnern? Hagman als Liebhaber, Weltenretter, Missionar in Afrika? Sogar sein Part in der Serie „Bezaubernde Jeannie", wo er als Tony Nelson fast ständig im Bild war, ist irgendwie vergessen. J.R. hat alles andere getilgt, und wir können uns sicher sein: Hagman hätte sich gefreut, wenn er miterlebt hätte, wie die Welt ihn ein letztes Mal als Schrecken von Texas feiert. Gegrinst hätte er.

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Obwohl er in „Dallas" nicht mal als Hauptfigur deklariert war. Im Vorspann kam er relativ spät, weil die Schauspielernamen absurderweise nach dem Alphabet geordnet wurden. Dass die Serie der Blueprint für alle modernen Soap Operas werden würde, mit 13 Staffeln eine der am längsten laufenden und erfolgreichsten Reihen der TV-Geschichte, für Millionen die Einstiegsdroge in ein Universum, in dem heute „Breaking Bad", „True Blood" und „Sons Of Anarchy" um die nächtliche Dauerguckzeit konkurrieren — das hätte auch keiner geglaubt, als „Dallas" 1978 auf dem US-Sender CBS startete.

J.R., also Larry Hagman, war am Ende noch etwas viel Sensationelleres. Der erste Charakter, der zum Nummer-eins-Helden einer TV-Serie wurde, obwohl er der Böse war. Zu John-Wayne-Zeiten galt ja der berühmte Merksatz, dass die guten Cowboys an den hellen Hüten zu erkennen sind, die Schurken an den schwarzen. J.R. trug stolz den weißen Stetson, wenn er alle übers Ohr haute. Von diesem Wildwest-Regelbruch erholte sich die Popkultur nie mehr. Zum Glück.

Dabei war J.R. Ewing an sich ein guter amerikanischer Junge. Ein texanischer Naturbursche, der Pferde reiten und Bäume sägen und sicher auch ein Ölförderloch bohren konnte. Noch in späten „Dallas"-Folgen, als sein Ruf schon völlig demoliert war, sah man ihn die Wände hochgehen, wenn die Ehre seines Clans und Daddys irgendwie zur Disposition stand — durchaus ein Mann mit Idealen, ein American Hero, der bei der Wahl seiner Mittel jedoch hemmungslos modern war. Verdorben vom Erfolgsstreben der Wall-Street-Jünger und republikanischen Hinterbänkler, ein ungeheures Sinnbild für die Gierphilosophie der 80er-Jahre, ein Vorbote der Neo-Cons.

Als J.R. am Ende der dritten Staffel einem Attentat zum Opfer fiel, stockte dem Publikum der Atem. Millionen jubelten für den Fiesling, als herauskam, dass er überleben würde. Bei der Auflösung des Anschlags schauten im November 1980 über 80 Millionen Amerikaner zu. Und weil sie den deutschen Zuschauern nichts verrieten, war die Folge knapp zwei Jahre später auch bei uns ein Straßenfeger.

Natürlich wissen alle, dass der echte Larry Hagman seiner Ehefrau Maj, die er mit 23 heiratete, bis zum Tode treu blieb. Dass er kein konservativer Falke war, sondern ein Hippie, der mit dem Musiker David Crosby LSD nahm, mit Jack Nicholson kiffte und das Parteibuch der Peace & Freedom Party besaß. Und dass er — der lebenslang den Ölbaron gespielt hatte — als Fürsprecher der Solarenergie durch die Welt reiste.

Um solche Details geht es auch gar nicht. Sondern darum, dass Larry Hagman zu einem besonderen, kleinen Club gehörte: zu den Schauspielern, die es geschafft haben, eine Rolle so sehr auszufüllen, mit Haut und Haaren, Grinsen und Gucken, dass sich dabei auch die Grenze zwischen Realität und Fiktion ein klein bisschen verschiebt. Die eindrücklichsten Momente der Film- und Fernsehgeschichte haben so funktioniert. Sie haben ihre Protagonisten wahrhaft unsterblich gemacht. Und wenn uns J.R. noch in 30 Jahren von Blu-ray aus anlächelt, fies und spöttisch, dann wird auch Larry Hagman lachen.