„Nachbarschaftsstreit”: Nervenkrieg mit Obst

Dass Nachbarn mitunter nerven, wusste schon Schiller: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt", dichtete er. Dabei starb er fast 200 Jahre, bevor Regina Zindler vor Gericht zog, um ihren Maschendrahtzaun vor dem Knallerbsenstrauch zu retten. Was Schiller aus der Feder geflossen wäre, hätte er von den aktuellen Fällen aus „Nachbarschaftsstreit" erfahren, mag man sich lieber nicht ausmalen. Franz Obst ist auf jeden Fall erschüttert.

Rechtsanwalt und Mediator Franz Obst will den Nachbarschaftsstreit schlichten (Bild: RTL)
Rechtsanwalt und Mediator Franz Obst will den Nachbarschaftsstreit schlichten (Bild: RTL)

Rechtsanwalt Obst ist professioneller Streitschlichter. Schon seit mehreren Staffeln legt er im Auftrag von RTL Anwohnerzwistigkeiten bei — er sollte also einiges gewohnt sein. Allerdings heißt die Auftaktepisode der neuen Staffel nicht umsonst „Der Nervenkrieg". Darin geht es um die Russnacks, ein Lübecker Frührentnerpaar, das sich von der Familie, die über ihnen wohnt, belästigt fühlt: Sobald Rosemarie und Uwe Benke Besuch von Enkel Justin (2) bekommen, „tobt der Bengel da oben". Eindeutig zu viel Lärm für Tierhaarallergiker Peter Russnack — Benkes haben zu allem Überfluss auch noch einen Hund. Gudrun Russnack kann gar nicht an all die schlimmen Zumutungen denken, ohne dass ihr die Tränen kommen. So weit, so alltäglich.

„Mit so etwas spricht man nicht"

Auftritt Franz Obst. Wie immer ist der Rechtsanwalt adrett gekleidet — Krawatte und Einstecktuch inklusive, seine Glatze ist gepflegt. Als er die sensible Befragung beginnt, schlackern ihm allerdings die Segelohren. Denn menschenfeindlicher als die ehemalige Metzgereifachverkäuferin Gudrun kann man sich kaum äußern. „Verfluchtes Mistpack", „dumm geboren, nichts dazugelernt", „mit so etwas spricht man nicht", sind nur einige der abstoßenden O-Töne, die sich durch die Sendung ziehen. Leider gibt es dafür keine Ansage von Herrn Obst. Er formuliert eher so: „Meine Idee wäre halt, dass man versucht, unter meiner Beteiligung doch mal irgendein Gespräch in Gang zu setzen, um zu einer Schlichtung zu kommen." Aha.

Nachbar Uwe (re.) hat wenig Gesprächsbedarf bei derartigen Beleidigungen (Bild: RTL)
Nachbar Uwe (re.) hat wenig Gesprächsbedarf bei derartigen Beleidigungen (Bild: RTL)

Dass Familie Benke darauf erst herzlich wenig Lust hat, kann man verstehen. Erfährt Obst beim Hausbesuch doch, dass Rosemarie und Uwe seit zwei Jahren mit Beschimpfungen und Psychoterror leben müssen. Trotzdem stimmen sie zu, sich gemeinsam zum ersten Gespräch zu treffen. Im neutralen Hotel gehen die Eheleute Russnack jedoch richtig zur Sache: Benkes sollen ausziehen und zwar „ratz fatz". Als Rosemarie Benke wenig später zusammenbricht, kann das für Gudrun Russnack nur Simulation sein. Ärgerlicherweise platzt Obst daraufhin noch immer nicht der Kragen. Stattdessen lässt er aufwendig die Lärmbelästigung testen (gering), befragt Nachbarn (Benkes sind nett) und quatscht Benkes einen dicken Teppich auf. Eine Etage weiter unten sieht man es im Gegenzug allerdings nicht ein, minimale Umgangsformen zuzusichern. „Frieden kann man nicht erzwingen, man muss ihn leben", seufzt Obst.

Die Schönheit der Müllhecke

Der zweite Fall stellt sich zum Glück um einiges undramatischer dar. In Weinheim fühlen sich die Rentner Ursela und Franz Schäfer von der zugemüllten Haselnusshecke auf dem Grundstück gegenüber provoziert — und genauso haben die Nachbarn Fischer-Roth es auch gemeint. Dass sie vor einigen Jahren per Vergleich dazu verdonnert wurden, ihre Haselnusshecke von 7 auf 2,50 Meter zu beschneiden, damit das Nachbarhaus nicht im Schatten liegt, haben sie Schäfers nie verziehen. Und wenn Frau Schäfer über das Unkraut im Nachbarsgarten mosert, kann Frau Roth nicht anders, als sich furchtbar aufzuregen und noch einen Autoreifen in die Hecke zu hängen. Der Streit schwelt seit Jahren, zwei Schlichtungsversuche sind schon gescheitert. Nachbarschaftsflüsterer Obst schafft es immerhin, die beiden Parteien zu einem dritten Versuch zu überreden. Für ein launiges Kennenlernspiel heben die Familien sogar das gegenseitige Grundstück-Betretungsverbot auf. Und siehe da: Nachdem Frau Roth von Herrn Schäfer erfahren hat, dass er seine Gattin auf einer Geschäftsreise kennengelernt hat, kann man auch noch einmal über die Hecke reden. Der Haselnuss werden 50 Extrazentimeter zugebilligt und im Gegenzug kommt der Müll weg. Es sind eben längst nicht alle Nachbarn böse.