Neuer “Polizeiruf 110″ aus Brandenburg: Keine Macht dem Drögen

Was ist nur los mit Deutschlands Teenagern? Immer munter rein ins Verderben im feucht-fröhlichen Dreischritt Party, Pillen, Pathologie. Täuscht nicht alles, dann haben zwei brandenburgische Schnöselbengel zwei Mitschülerinnen im Nebenraum einer Großraumdisko mit K.o.-Pillen willenlos gemacht, vergewaltigt, die eine bewusstlos zurückgelassen und die andere ermordet und auf einem Schrottplatz "entsorgt". Da fühlt sich das junge Mutterglück doch gleich ein bisschen schal an für die frisch aus der Babypause zurückgekehrte "Polizeiruf 110"-Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon). Der Brandenburg-Krimi ist einer dieser meist zwecklosen Versuche erwachsener Filmemacher, den Wahnsinn der Pubertät begreifen zu wollen. Doch hier fühlt sich das Ganze durchaus stimmig an. Weil sich Clemens Murath (Buch) und Nicolai Rohde (Regie) mit staunender Demut aufs unbekannte Terrain wagen: Wo sich die Jugendlichen herumtreiben, das bekennt der neue "Polizeiruf" im Episodentitel frei heraus und völlig zu Recht, das ist "Eine andere Welt".

Kinderkram? Maria Simon und Horst Krause ermitteln. (Foto: RBB / O. Feist)
Kinderkram? Maria Simon und Horst Krause ermitteln. (Foto: RBB / O. Feist)

Ausgerechnet der strenge Polizeihauptmeister Krause (Horst Krause) wird zur Leiche der 18-jährigen Schülerin Kristina gerufen. Eben noch sah man die attraktive Brünette hemmungslos mit ihrer Freundin Hanna (Lotte Flack) in der Disko knutschen. Jetzt liegt sie mausetot zwischen Metalltrümmern auf einem Schrottplatz und hinterlässt der ermittelnden Kommissarin Lenski manches Rätsel. Es ist nicht ganz leicht, die letzten Stunden im viel zu kurzen Leben der umtriebigen Partymaus zu rekonstruieren. Auch weil sich die beiden Hauptverdächtigen – ihre Mitschüler Jan (Jannik Schümann) und Dittsche (Max von der Groeben) – nicht gerade kooperativ geben.

In den entscheidenden Belangen ist der dritte "Polizeiruf 110" mit Maria Simon in der Kommissarsrolle der bislang überzeugendste. In Nahaufnahmen fängt der Regisseur Nicolai Rohde der Fassungslosigkeit der Erwachsenen ein: der einen Eltern, die ihre Tochter verloren haben, der anderen Eltern, die nicht ahnten, wo sich ihr Mädchen nachts so herumtreibt. Bevorzugt aber verweilt die Kamera auf dem Gesicht von Maria Simon, was bei dieser Schauspielerin nie ein Fehler ist. Die 36-Jährige ist derzeit die subtilste und interessanteste Frau im deutschen Krimigewerbe.

Nach dem heiter-grotesken Spreewald-Intermezzo "Die Gurkenkönigin" mit Sophie Rois als Schwangerschaftsvertretung (Maria Simon bekam auch im wahren Leben ein Kind) ist nun wieder der Krimi-Alltag eingekehrt beim "Polizeiruf" aus Brandenburg. Was dröger klingt, als es am Ende ist. "Eine andere Welt" ist ein seriös erzählter, jederzeit fesselnder Polizeiarbeitskrimi, weil er sich niemals bedeutender und schlauer macht, als er ist.

("Polizeiruf 110: Eine andere Welt", Sonntag, 23. Dezember, 20.15 Uhr)