„Schlag den Raab”: Landwirt Bernd verdient sich 3,5 Millionen Euro

Am Schluss war es ein Moment, den man sich eigentlich nur wieder und wieder ansehen wollte: Wie sich ein schlanker junger Mann durch ein eigentlich winziges Loch, das er eben erst selbst in eine grüne Schaumstoff-Wand gebohrt hatte, hindurch schlängelte, mit einer eleganten Rolle nach vorne hechtete, sich etwas abgekämpft, aber zielstrebig aufraffte, zum Weihnachtsglöckchen griff und seine fantastische Bescherung einfach mal eben selbst in die Hand nahm. Bernd Stadelmann, ein Landwirt aus Eisenharz im Allgäu, hat nicht nur Stefan Raab geschlagen, sondern diesmal einen Rekord-Jackpot geknackt.

Seit der Nacht zum Sonntag, etwa kurz vor ein Uhr nachts — was für „Schlag den Raab"-Verhältnisse gar keine unerhört späte Überziehung darstellte — ist der 27-Jährige um 3,5 Millionen Euro reicher. Mehr gab's in der ProSieben-Show bislang noch nie zu gewinnen. Bernds Gesicht war noch immer von den Steckmoos-Partikelchen aus dem Finalspiel verschmiert, er atmete schwer, und am Oberschenkel klaffte eine kleine Wunde, die er sich im Eifer des letzten Gefechts zugefügt hatte. Doch eines war für jeden Zuschauer klar ersichtlich: Der abgebrühte Bernd hatte es geschafft. Und sogar die Gratulations-Umarmung von Raab, der wieder einmal so gerne gewonnen hätte, wirkte nicht bloß wie eine Pflichtschuldigkeit. Aus ihr sprach echte Bewunderung. Denn der anfänglich so schüchterne Bernd, den der „TV total"-Zampano streckenweise sträflich unterschätzt hatte, erwies sich als ein Kerl von Raab'schem Kaliber. Und das ist eben einer, der nicht aufgibt.

Bernd ließ sich einfach nicht aus der Ruhe bringen. Ganz anders Raab: Der Show-Namensgeber wirkte diesmal sichtlich hibbelig, übermotiviert und nervte durch sein permanentes Zwischenfragen und seine bekannten Psycho-Nickeligkeiten. Tatsächlich stand natürlich viel auf dem Spiel — und die Anspannung wirkte oft unerträglich. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es jemals einer der Zuschauer vergessen haben sollte, um wie unvorstellbar viel Geld es ging, strichen alle an der Show-Beteiligten den Ausnahmecharakter immer wieder heraus.

Der einzige, der sich von den aufreizend auf einem Geschenke-Schlitten drapierten sieben Geldkoffern à jeweils 500.000 Euro jedenfalls äußerlich nicht verrückt machen ließ, war der Raab-Herausforderer. Und das, obwohl er gemeinsam mit dem Publikum ein an Dramatik kaum zu überbietendes Wechselbad der Gefühle durchmachen musste. Zunächst verschaffte sich Bernd zwar schon im ersten Spiel Respekt, als er mit Ruhe und Überlegenheit einfach sehr geschickt mit brennenden Streichhölzern agierte.

Dafür zeigte ihm Raab bereits im zweiten Durchgang, wo der Hammer hing: Beim Namen-Vervollständigen, bei dem es auf ein breites Allgemeinwissen, ein gutes Köpfe-Gedächtnis und viel Erfahrung in der Populärkultur ankam, führte Raab seinen jungen Gegner regelrecht vor — und gewann mit 7:0. Dass Fernsehen auf dem Bauernhof, wo der Arbeitsalltag sehr früh am Tag beginnt und erst spät, dann aber ziemlich erschöpft endet, kaum eine Rolle spielt, war schnell erkennbar. Eine Schwäche, die sich an entscheidender Stelle wiederholte, als Bernd seine Chance zum vorzeitigen Triumph in der Raab-Lieblingskategorie „Blamieren oder Kassieren" nicht verwandeln konnte und erneut wegen schlechten Pop-Know-hows ins Hintertreffen geriet.

Dagegen spielte der spätere Sieger, der immer wieder Rückstände ausgleichen konnte, wiederholt die Führung zurückeroberte und sich mit Raab ein bis zum wirklich letzten, weil 15. Spiel ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen lieferte, bei allen Sport- und Geschicklichkeitsdisziplinen seine Stärken aus. Bernd skatete nicht nur wie ein Profi über den Langlauf-Parcours auf dem Freigelände hinter dem Studio. Er schoss auch treffsicher wie ein Biathlet, formte die besseren Schneebälle, zielte mit ihnen genauer — und punktete mit der ruhigeren Hand beim Umschütten kleiner Plastikkügelchen in ein leeres Wasserglas.

Dass er trotz offensichtlicher Unbedarftheit gegenüber den klassischen Raab-Provokationen dann doch seinen Killer-Instinkt in sich entdeckte, wurde letztlich beim Spiel mit den Fehlerbildern deutlich. Völlig abgezockt und mit einer Seelenruhe, die auch Raab sichtlich einschüchterte, verglich Bernd sicher vier bis auf ein winziges Detail unterschiedliche Foto-Aufnahmen — und löste die Fehlersuche meist in Sekundenschnelle. Spätestens ab diesem Zeitpunkt des Wettbewerb-Marathons war für Raab klar, dass er diesmal einen echten Siegertyp vor sich hatte. Und dass hinter Bernds gefasstem Naturburschen-Äußerem ein abgezockter Kämpfer steckt, der sich seine 3,5 Millionen verdient hat. Raab ist zu schlagen. Diesmal schaffte er es sogar, mit Würde zu verlieren.

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