Sensationsserie “Homeland” bei SAT.1: Das Beste kommt zum Schluss

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Und von Fairness war das auch nicht wirklich geprägt, wie der "Spiegel" jüngst in einem nassforschen Artikel das deutsche Fernsehen pauschal als rückständig und narkotisch abqualifizierte. Links auf der Doppelseite war ein Bild der "Homeland"-Hauptdarsteller Claire Danes, Damian Lewis und Mandy Patinkin zu sehen. Rechts daneben die freundlichen Nonnen vom Kloster Kaltenthal. "Um Himmels Willen", mag man da ausrufen. Auf dieses Duell heruntergebrochen steht das deutsche Serienfernsehen im internationalen Vergleich ohne Frage geradezu zwergenhaft da. Öffentlich-rechtlicher Kleriker-Kitsch gegen die – man hört richtig –"derzeit beste Serie der Welt". Dass der SAT.1-Geschäftsführer Nikolas Paalzow die Emmy- und Golden-Globe-gekürte Paranoia-Studie "Homeland" derart anpreist, hat indes erstens seine Berechtigung und zweitens einen aktuellen Grund: SAT.1 zeigt die zwölf Folgen der ersten "Homeland"-Staffel – immer sonntags zu später Stunde. Für die Primetime ist das Beste offenbar nicht gut genug.

Perfekte Paranoia: Claire Danes und Damian Lewis in "Homeland". (Bild: SAT.1 / Fox)
Perfekte Paranoia: Claire Danes und Damian Lewis in "Homeland". (Bild: SAT.1 / Fox)

Immerhin zum Auftakt erscheint der Sendeplatz durchaus attraktiv: SAT.1 startet ins "Homeland"-Abenteuer mit einer Doppelfolge um 22.15 Uhr. Gut möglich, dass sich mancher Krimifan nach dem "Tatort" im Ersten herüberverirrt. Doch schon ab der kommenden Woche ist nur noch eine Folge pro Sonntag um 23.15 Uhr zu sehen. Die prominenteren Sendeplätze gehören bei SAT.1 den Durchschnittsproduktionen "Navy CIS" (20.15 Uhr), "The Mentalist" (21.15 Uhr) und "Hawaii Five-0" (22.15 Uhr). Man darf also stark bezweifeln, dass die mutmaßlich beste Serie auch die erfolgreichste der TV-Saison wird. Auch das spiegelt den gegenwärtigen Zustand deutscher Fernsehkultur und Programmpolitik.

Wer sich aber einlässt auf die überbordend gelobte und vielfach preisgekürte US-Serie mit Claire Danes und Damian Lewis in den Hauptrollen, wird trotz der hochfliegenden Erwartungen nicht enttäuscht. "Homeland" ist eine absolut packende Studie über eine Nation im Kampf gegen den islamistischen Terror und gegen den Terror der eigenen Paranoia. Über ein Jahrzehnt nach 9/11 stellt sie die Frage: Was hat der Kampf gegen den Terrorismus aus Amerika gemacht?

Aus der CIA-Agentin Carrie Mathison (Danes) hat eine Dekade voller Terrorangst eine exzellente, aber auch soziopathische Fahnderin gemacht. Ein Nervenleiden betäubt sie heimlich mit Psychopharmaka. Soziale Kontakte pflegt sie nicht. Ihren Vorgesetzten gilt sie als brillant, aber auch besessen und lästig. Als Einzige ist sie überzeugt, dass der gefeierte Kriegsheld Sergeant Nicholas Brody (Lewis) mit Islamisten gemeinsame Sache macht. Spezialeinheiten hatten den US-Marine nach acht Jahren Gefangenschaft aus einem Kellerverlies im Irak befreit. Haben ihn seine Peiniger in der Zwischenzeit zum Überläufer gemacht? Mathison beginnt eine sachlich begründete, moralisch aber höchst fragwürdige Überwachungsaktion auf eigene Faust.

Ausgedacht haben sich "Homeland" Howard Gordon und Alex Gansa – zwei Kreative, die bereits zum Team der "24"-Macher zählten. Die Gemeinsamkeiten zur langjährigen Terrorserie mit dem von Kiefer Sutherland gespielten Superagenten Jack Bauer liegen dabei ebenso auf der Hand wie die Unterschiede. "Homeland" verzichtet auf eine Erlösergestalt und legitimierte Folterszenen zum Zweck der Gefahrenabwehr. Alles ist ambivalent, die Erzählweise ist intellektuell, nicht spektakulär. Es gibt keine Helden, nicht mal gebrochene. Und doch entfesseln die Episoden einen ungeheuer spannenden, um nicht zu sagen unterhaltsamen Sog. Ein Spagat, den sich in Deutschland kaum noch ein Programmmacher vorzustellen vermag, das darf man schon kanstatieren. Wo ist er nur, der "missing link" zwischen Kopf und Quote? Um Himmels willen.

("Homeland", ab Sonntag, 3. Februar, 22.15 Uhr, SAT.1)