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Stefan Raabs Polit-Talk: So war „Absolute Mehrheit”

42 Prozent für die FDP — und keiner analysierte die Sensation! Als „Absolute Mehrheit" zu Ende ging, das Debüt von Stefan Raabs vorab wild diskutierter Sonntagabend-Talkshow, wünschte man sich tatsächlich einen Moment lang Jörg Schönenborn herbei, den smarten Wahlkommentator der ARD: Wie war es möglich, dass Wolfgang Kubicki, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion Schleswig Holstein, die Abstimmung gewann (wenn auch ohne die 100.000 Euro Preisgeld zu ergattern) — obwohl er zu den meisten Themen, die in der Runde besprochen worden waren, überhaupt nichts gesagt hatte?

Von links: Verena Delius, Stefan Raab, Michael Fuchs (CDU) und Jan van Aken (Die Linke) bei "Absolute Mehrheit" (Bild: ddp images)
Von links: Verena Delius, Stefan Raab, Michael Fuchs (CDU) und Jan van Aken (Die Linke) bei "Absolute Mehrheit" (Bild: ddp images)

Raabs eigener Studioexperte, der ProSieben-Nachrichtenchef Peter Limbourg, kommentierte den Erdrutschsieg nur so nebenbei. Lieber beteuerte er seinem Moderator noch einmal, was die ganze Show letztendlich beweisen sollte: dass Raab auch „Politik kann". Obwohl nur wenige ihm das zugetraut hatten. Dann musste noch schnell die Gewinnerin des Autos vermeldet werden, das an diesem Abend öfter im Bild war als der CDU-Politiker Michael Fuchs. Und dann war es wirklich vorbei.

Ob Raab das kann — dazu kommen wir später. Erst mal unsere eigene Analyse: Wieso, zum Teufel, gewann Kubicki bei der Telefonabstimmung, die „Absolute Mehrheit" 90 Minuten lang begleitete und von den unzähligen anderen Politiktalkshows abgrenzen soll?

Vielleicht, weil der Alt-Liberale mit der Gutsherrenfrisur ohnehin den Ruf des TV-trächtigen Rebellen mit sich herumträgt und nur zwei Tage vorher in der ZDF-„Heute Show" gegen Parteichef Rösler gestichelt hatte. Vielleicht, weil er den mutmaßlich jungen Raab-Zuschauern kein allzu trockenes Zahlen-und-Fakten-Material füttern wollte — nicht negativ aufzufallen, das kann in einer Talkshow ja schon verdammt souverän wirken. Vielleicht auch nur, weil es FDP und Jungen Liberalen am besten gelungen war, ihre Basis zum Anrufen zu mobilisieren.

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Alles Sachen, die bei der Bundestagswahl kaum helfen werden. Nur das Schlussbild, das den Gewinner Kubicki im schmierigen Glückwunsch-Bussi-Clinch mit der Computerspielunternehmerin und Mitdiskutantin Verena Delius zeigte — das wird bleiben.

Und die Erkenntnis, die eine Sendung wie „Absolute Mehrheit" im Prinzip überflüssig macht: Politik lässt sich nicht noch weiter vereinfachen, zuspitzen, konzentrieren, als es die anderen Talks von Jauch bis Plasberg tun. Die große Sehnsucht, die nach langwierigen, verfitzelten, von Parteiinteressen bestimmten Sofarunden beim Zuschauer zurückbleibt, die Lust auf glasklare Worte, völlig unverstellte Positionen — sie ist ein reines Wunschbild.

Auch Raabs Superkurzdebatten — neben Kubicki, Fuchs und Delius waren Thomas Oppermann von der SPD und Linke-Politiker Jan van Aken dabei — zu Steuern, Energiewende und Internet brachten natürlich keine neuen Slogans oder schräge Blickwinkel. Dazu sind die Fragen auch schon viel zu oft gestellt worden.

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Vor allem: Vom Moderator selbst ging überhaupt keine Gefahr aus. Im Vorfeld war es so hingestellt worden, als wäre ein Besuch in Raabs Anarchobude für Bundespolitiker das höchst anzunehmende Risiko, als würde man sich freiwillig zum Messerwerfen melden. Die Angriffslust des „TV Total"-Typen beschränkte sich dann auf ein paar schlappe Witze, die keinen der Gäste auch nur annähernd aus der Fassung bringen konnten.

Als van Aken sogar ohne Wimpernzucken zugab, dass er seine Bundesvorsitzende Katja Kipping attraktiver findet als Sahra Wagenknecht, war Raab selbst schockiert. Dass er sich auf sein Debüt bestens vorbereitet hatte, betonte er mehrfach. Meistens kurz bevor er passende Statistiken von seinen Kärtchen ablas.

Man könnte es auch positiv formulieren. Mit „Absolute Mehrheit" hat Stefan Raab den politischen Talkshows in Deutschland den Spiegel vorgehalten: So, meine Lieben, seht ihr aus, wenn man auf den Schneller-Vorlauf-Knopf drückt. Wenn man den langwierigen Teil der Diskussion wegbricht und stattdessen einen Werbeblock zeigt. Wenn man per Telefonabstimmung nachweist, dass gute Argumente völlig egal sind.

Man könnte es aber auch negativ formulieren. Eine Sendung, die am Ende doch nur beweist, dass Stefan Raab theoretisch und mit Ach und Krach auch eine Talkshow moderieren kann, ist unnötig. „Absolute Mehrheit" braucht in dieser Form kein Mensch.