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Wut, Axthiebe und fliegende Weingläser: Die schönsten Eklats in deutschen Talkshows

Alle freuen sich, wenn's im Fernsehen richtig schön knallt — aber den letzten großen Krach werden wir niemals mit eigenen Augen sehen. Den gab es nur zu lesen, vor wenigen Tagen: Charlotte Roche hat den Sänger Max Herre böse beleidigt, der nichtsahnend in die ZDF-Talkshow „Roche & Böhmermann" gekommen war. Herres neue Lieder seien „sogar schlechter als zu Beginn deiner Karriere", soll die Feuchtgebiete-Expertin zu ihrem Talkgast gesagt haben. Der verließ daraufhin wutentbrannt das Studio. Wahrheit oder Pflicht? Schadenfreude!

Charlotte Roche und Max Herre: Wie schlimm war der Streit wirklich? (Bilder: ddp)
Charlotte Roche und Max Herre: Wie schlimm war der Streit wirklich? (Bilder: ddp)

Leider stimmt die schöne Geschichte nur halb. Wie eine Informantin aus Herres Plattenfirma Universal Music nun verriet, versöhnten Roche und Herre sich unmittelbar nach dem Wortgefecht wieder, noch während sie am Tisch saßen. Man einigte sich darauf, die Aufzeichnung fortzusetzen — als ob nichts gewesen wäre.

Herre verließ das Studio nur während einer kurzen Drehpause, kam aber gleich zurück. Wenn die Sendung am kommenden Sonntag läuft (9. September, ZDF Kultur, 22 Uhr 15), wird die lustige Szene herausgeschnitten sein. Das Couchpublikum wird nicht merken, dass Roche und Herre eigentlich blutigen Streit hatten.

Talkshow-Krawall: Charlotte Roche versus Max Herre

Dabei gibt es doch nichts Amüsanteres als einen anständigen Talkshow-Eklat, bei dem Fetzen, Weingläser und Mikrofone fliegen und am Ende einer schimpfend abdampft. Auch bei Livesendungen sind wir es ja gewohnt, dass immer alles klappt — jede Geste, jedes Interview, jede Einlage. Auch in hitzigen Diskussionen reagieren alle völlig berechenbar.

Normalerweise. Deshalb kann man es uns Zuschauern nicht übelnehmen, wenn wir uns insgeheim wünschen, dass es zu richtig großen Gefühlsausbrüchen kommt, zu Stress, zu Drama. Ohne Ankündigung. Oder auch mal mit.

In den 70er- und 80er-Jahren wurde dafür zu schweren Waffen gegriffen. Im Dezember 1971 zum Beispiel passierte in der WDR-Talkshow „Ende offen" quasi die Mutter aller TV-Eklats: Während einer Debatte über Politik und Musikindustrie zog Nikel Pallat, Saxofonist der Band Ton Steine Scherben, ein im Sakko verstecktes Beil und begann, den Studiotisch zu zerschlagen — aus Protest gegen das theoretische Gelaber.

Roland Kaiser und Karl Dall zofften sich in den 80ern einmal ganz vorzüglich (Bilder: ddp)
Roland Kaiser und Karl Dall zofften sich in den 80ern einmal ganz vorzüglich (Bilder: ddp)

Damit war die Sendung logischerweise zu Ende. 1982 brillierte der linke Kommunarde Fritz Teufel, als er bei „3 nach 9" den damaligen SPD-Finanzminister Hans Matthöfer mitten im Gespräch mit einer Wasserpistole beschoss. Der Minister dachte nicht daran, zu gehen — und wehrte sich eiskalt, indem er Teufel mit Wein beschüttete.

Damals ging es noch um Politik, um echte Standpunkte. Später wurde der TV-Krach mehr zum Spielfeld gekränkter Eitelkeit. Meister des Faches war zu Beginn der deutschen Privatfernsehen-Ära der Komiker Karl Dall. Im September 1986 lud er den Schlagersänger Roland Kaiser in seine RTL-Talkshow „Dall-As" ein und beleidigte ihn über längere Distanz so penetrant („Na sing schon, damit wir es hinter uns haben!"), dass Kaiser nach Hälfte der Aufzeichnung tatsächlich aufstand und ging. Was dann auch so gesendet wurde.

Harald Schmidt am Tiefpunkt: Seine Show erreicht die 0,0 Millionen-Quote

Ein legendärer Eklat — der leider nur in sehr wenigen Kurzausschnitten dokumentiert ist, weil damals wenig Leute RTL schauten und noch weniger von ihnen Videorekorder hatten. Dall lud Kaiser später noch einmal in die Sendung ein. Er kam auch, und dieses Mal schaffte er es bis zum Ende.

Ebenfalls in „3 nach 9" räumte Campino das Feld, nachdem die Schauspielerin Maria Schell ihn als nutzlosen Jugendlichen beschimpft und gefragt hatte: „Hast du eine tote Hose?" Falco verließ die „NDR Talkshow", nachdem er den Rechtspolitiker Jörg Haider gelobt und dafür nur Kritik der Gesprächspartner geerntet hatte. In der gleichen Show tobte die Schriftstellerin und Abtreibungsgegnerin Karin Struck nach einem Wortgefecht mit der jungen Angela Merkel, lüftete ihr Kleid, um sich selbst das Mikrofon abzureißen, und warf eine Weinkaraffe ins johlende Saalpublikum.

Eva Herman wurde 2007 von Johannes B. Kerner aus dem Studio geworfen (Bilder: ddp)
Eva Herman wurde 2007 von Johannes B. Kerner aus dem Studio geworfen (Bilder: ddp)

Ein jüngeres, krasseres Beispiel ist die Moderatorin Eva Herman, die 2007 bei Johannes B. Kerner nicht etwa selbst entschied, ihren Platz während der laufenden Sendung zu räumen — sie wurde von Kerner selbst weggeschickt, weil er fand, dass alle Argumente ausgetauscht waren. Das ZDF gab den Skandal schon Tage vor Ausstrahlung bekannt. Die Quote war entsprechend gut.

Das Paradoxe daran: Dass Talkgäste — so wie jetzt wieder Max Herre — eine Sendung verlassen, ist die allerbeste Werbung, die ein Sender bekommen kann. Obwohl das eigentlich ein Armutszeugnis für Moderator und Redaktion ist. Und für die Beleidigten.

Offene Streitgespräche leben schließlich davon, dass alle ehrlich sind und sich der Kritik stellen. Wer geht, macht sich einfach nur wichtig. Charlotte Roche muss Max Herre provozieren dürfen. Dass Herre in Wirklichkeit am Tisch sitzengeblieben ist, ehrt ihn.

Was komischerweise noch nie im deutschen Talk-TV passiert ist: dass der Moderator selbst vorzeitig gegangen ist. Das hat nur Kabel-Eins-Dauerquiz-Präsentator Max Schradin einmal gemacht, nach anhaltendem Streit mit der Regie — wahrscheinlich aber nur ein Fake. Eine gute Idee, wie man die „Wetten, dass ...?"-Quoten mit Markus Lanz in die Höhe treiben könnte, hätten wir also schon.