„X Factor” 2012: Die Letzten sind die Besten

Na geht doch: Mit der zweiten Liveshow beweist „X Factor" vielseitigen Anspruch und durchgehenden Unterhaltungswert. Mit wenigen Ausrutschern nach unten und zum Teil erstaunlichen gesanglichen Leistungen können sich vier Kandidaten für das Halbfinale mehr als qualifizieren. Zum letzten Mal treten die verbleibenden Besten der Kategorien untereinander an und sind voll und ganz bei der Sache.

Viel Lob von allen für alle: Die Jury (Bild: VOX)
Viel Lob von allen für alle: Die Jury (Bild: VOX)


Auch die Mentoren sind gut drauf: Man übt nur zurückhaltend und freundlich Kritik an der Arbeit der Jurykollegen und verteilt sogar Lob und Gesten der Zuneigung. Sarah Connor trägt ein Pelham-T-Shirt, und Sandra Nasic und HP Baxxter sind bedenklich oft einer Meinung. So weit, so kuschelig.

Verschieden wie Äpfel und Birnen

Moses Pelham hat seinen beiden Jungs für ihre Auftritte ein maßgeschneidertes Sound-Kostüm verpasst: Soft war gestern, jetzt regieren die Gitarren! Gut für beide Kandidaten: Richard Geldner überzeugt mit einer kantigen Version von Grönemeyers „Bleibt alles anders" und Barne Heimbucher mit seiner Interpretation von „Lila Wolken" (Marteria & Yasha). Die ausgewählten Songs stehen den Herren gut. Alles richtig gemacht! Das bestätigt die gesamte Jury. Barne kommt am Ende einen Tick frischer rüber und darf seinen Einzug ins Halbfinale feiern, bis die Wolken wieder lila sind.

So verschieden wie Äpfel und Birnen sind Sarah Connors Kandidaten. Beide überraschen durch sehr puristische Performances — ihre Mentorin hat in der Produktion jegliches dumpfe Hintergrundgestampfe weggelassen. Björn Paulsen darf endlich wieder machen, was er am besten kann: mit seiner Gitarre eine Eigenkomposition zum Besten geben.

„Königin" ist eine Liebeserklärung an seine Frau: Man merkt deutlich, dass er fühlt, was er singt und singt, was er fühlt. Willy Hubbard gibt den Mann am Klavier und bemüht sich um souliges Gänsehaut-Feeling bei „Ordinary People" (John Legend). Das gelingt ihm nur zum Teil, ein bisschen wirkt er wie ein verlorener Barpianist in einer Hotellobby. Willy muss seine Sachen packen, es geht Heim.

Mentor HP Baxxter setzt auf Knalleffekte (Bild: VOX)
Mentor HP Baxxter setzt auf Knalleffekte (Bild: VOX)

„Mehr ist mehr" mit HP Baxxter

Mentor HP Baxxter setzt auf „mehr ist mehr" und baut seinen Schützlingen Klementine Hendrichs und Melissa Heiduk markttaugliche Tracks in astreinem Scooter-Style — mit Knalleffekten und viel Strobo. Melissa schlägt sich unter diesen erschwerten Bedingungen mehr als wacker und meistert dank ihrer tollen Stimme eindrücklich die verscooterte Dance-Version von „Roxanne" (The Police). Am schönsten ist, dass ihr das alles sogar auch noch echt Spaß zu machen scheint. Klementines Stimme und Präsenz hingegen gehen im billigen Techno-Gewitter der Baxxter'schen Inszenierung von „Yeah Right" (Dionne Bromfield) unter — und damit auch jede Chance auf ein Weiterkommen.

Eingereiht in die „Army of Hardcore"

Nur bei den Bands ist der Wurm drin. Rune ruinieren in altbewährter Brachialmasche „Mirrors" von Natalia Kills. Mrs. Greenbird bringen eine verloren wirkende, fast surreale Akustikversion von Madonnas Hit „Frozen". Aber das Schiefsingen und -spielen scheint das Studiopublikum und auch die Anrufer nicht zu stören. Denn trotz dieses Aussetzers hat das Duo einen hohen Wiedererkennungswert und ist in seiner zerbrechlichen Seltsamkeit ein Segen für die Show.

Ein Segen für „X Factor“ trotz einmaligen Ausreissers: das seltsame Duo Mrs. Greenbird (Bild: VOX)
Ein Segen für „X Factor“ trotz einmaligen Ausreissers: das seltsame Duo Mrs. Greenbird (Bild: VOX)

Überflüssig sind nur die beiden Promo-Auftritte für jüngst erschienene Alben von Moses Pelham und Scooter, bei denen die jeweiligen Kandidaten mit auf die Bühne dürfen. Zu Backgroundsängern degradiert oder in die „Army of Hardcore" eingereiht, ist von dem Talent der jungen Musikhoffnungen wenig bis nichts zu sehen. Zum Glück können sie alle auch alleine beweisen, was in ihnen steckt. Bis zum nächsten Mal bei „X Factor".