ESC 2015: Russen schicken Helene-Fischer-Kopie ins Rennen

Laut Wetten hat sie gute Chancen auf Platz 3 beim ESC: die Russin Polina Gagarina

Nanu, singt Helene Fischer (30, "Atemlos") beim Eurovision Song Contest in Wien etwa für Russland? Nein, natürlich nicht, doch die Dame, die tatsächlich für Russland antritt, sieht dem deutschen Superstar so verblüffend ähnlich, dass man sie auf der Bühne für eine Doppelgängerin halten könnte. Polina Gagarina (28) hat eine blonde Mähne wie Helene, ihre Augen sind ebenfalls strahlend blau, sie bewegt sich leicht wiegend in einem schlichten, schneeweißen Kleid, ein solches Outfit war auch ein Markenzeichen von Helene Fischer. Hat die Russen Erfolg und Performance unseres Stars so sehr beeindruckt, dass sie nun eine Helene-Kopie ins Rennen um den ESC-Sieg schicken?

Das haben die beiden gemeinsam

Beide wurden in Russland geboren, Helene Fischer im sibirischen Krasnojarsk, Polina in Moskau. Beide gingen im Kindesalter ins Ausland. Die damals vierjährige Helene siedelte als Russlanddeutsche mit ihrer Familie in die Bundesrepublik um, wo sie heute lebt und arbeitet. Polina zog 1991 mit ihrer Mutter, die als Ballerina einen Vertrag in Athen unterzeichnet hatte, nach Griechenland, wo sie auch in die Schule ging und Griechisch lernte. Drei Jahre später ging es nach dem Herztod ihres Vaters wieder zurück nach Moskau.

Auch die ersten Schritte zur Karriere ähneln sich. Während Helene von 2000 bis 2003 an der Stage & Musical School in Frankfurt/Main ihre Ausbildung absolvierte, ging Polina auf die Musikschule von Saratow an der Wolga, um sich anschließend für ein Jazz-Pop-Studium an der Staatlichen Musikhochschule einzuschreiben. Sie trat in der Castingshow "Fabrika Zwozd" auf und belegte den ersten Platz. Helene feierte ihre ersten Erfolge in der "Rocky Horror Picture Show" am Staatstheater Darmstadt sowie in der Schlagerrevue "Fifty-Fifty" und im Musical "Anatevka" (Volkstheater Frankfurt). Sogar ihre Stimmen haben eine gewisse Ähnlichkeit. Beide sind klar und gefühlvoll, wobei Helene zu mehr Ausdruck fähig ist und moderner klingt.

Um einen Tick zu verrucht

Damit ist das Maß der Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft. Auffällig an Polina Gagarina ist, dass bei ihr einige typische Merkmale Helene Fischers zu aufgesetzt wirken. Die Lippen sind um einen Tick zu rot, die Bewegungen um einen Tick zu verrucht. Das weiße Kleid hat einen spitzen Ausschnitt, dessen südliche Grenze knapp oberhalb des Bauchnabels liegt. Und auf der Bühne variiert ihr Sex-Faktor je nach Situation zwischen kindlich-naiv und der um einen Tick zu schwülstigen Ausstrahlung eines Vamps.

"Sie sieht dabei ein bisschen so aus, als habe man in einem geheimen Kreml-Labor Helene Fischer, Frau Holle und Marilyn Monroe gekreuzt", schreibt die "Süddeutsche Zeitung". Eigentlich ist sie von Haus aus dunkelblond, es gibt ältere Bilder, die sie als dralle Sängerin mit XXL-Oberweite in einem XXL-Dekolleté zeigen. Als sie sich 2012 für die russische Ausgabe des Männermagazins "Maxim" auszog, war sie aber schon schlank, sehr knackig und sehr blond.

Ehefrau und Mutter

Im Gegensatz zu Helene Fischer ist Polina Ehefrau und Mutter des sechsjährigen Andrey. Im September 2014 hat sie den Fotografen Dmitri Ischakow geheiratet. Der Vater des Jungen ist der russische Schauspieler Pyotr Kislov, mit dem Polina in erster Ehe von 2007 bis 2010 verheiratet war.

Polina Gagarina ist mit dem namensgleichen Kosmonauten Juri Gagarin (1934-1968), der erste Mensch im Weltraum und einer der bekanntesten und populärsten Russen, weder verwandt noch verschwägert. Doch das tut ihrer Beliebtheit keinen Anbruch. Die Sängerin, Schauspielerin und Songschreiberin, die auch als Model gearbeitet hat, ist in Russland ein Star, ihr Produzent Konstantin Meladse glaubt, dass sie die "beste Vokalistin" des Landes ist, etwas Besseres gebe es derzeit nicht.

"Gefühle wie bei einer Geburt"

Auch beim ESC 2015 wird sie nun zu den Favoriten gezählt, weil sie sich im ersten Halbfinale in Wien mit ihrem pathetischen Song "A Million Voices" durchsetzte. "Es waren Gefühle wie bei einer Geburt", sagte sie unter Tränen zu ihrem überraschenden Einzug ins Finale. So einen Satz hat man von Helene Fischer noch nie gehört.

Für Polina Gagarina war das Halbfinale die erste Wahl, der sie sich stellen musste. Bei der russischen Nationalausscheidung wählte der Staatssender "Channel of Russia" ohne Zuschauerbeteiligung und -abstimmung die Sängerin und ihren Song aus. Textauszug aus "A Million Voices": "Wir sind das Volk der Menschheit, verschieden und doch gleich. Wir glauben an einen Traum. Beten für Frieden und Heilung."

Diskussionen um den russischen Beitrag

Bei diesen Sätzen schwoll dem "Stern.de"-Autor Jens Meier dermaßen der Kamm, dass er empört kommentierte: "Russland schickt eine Weltverbesserer-Ballade zum Eurovision Song Contest: Eine widerliche Inszenierung, denn scheinheiliger geht es nicht... Ausgerechnet Russland macht auf Peace and Love... Einfach zum Kotzen... Denn mit dem Lied missbraucht Wladimir Putin die ESC-Bühne erneut für seine politischen Manöver... Krim-Annexion, Ukraine-Konflikt und Schwulenhetze sollen im triefenden Glanz einer Friedenshymne vergessen gemacht werden..."

Die ätzende Kritik bringt wiederum ein offenbar Russland-affines Portal namens "Bürgerstimme.com" auf die Palme und lässt einen Schreiber über "Vertreter der Lügenpresse", "Systemjournalisten" und ihrer "niveaulosen, hämischen, diffamierenden Berichterstattung über Russland" schwadronieren: "Statt vorurteilsfreien Musikgenuss" zu propagieren, "missbrauchen Verantwortliche den ESC, um ihre Propaganda an Millionen Menschen heranzutragen." Das widerspreche "jedweder Moralvorstellung". Große Worte über eine "Schmachthymne" ("Der Standard", Wien).

Polina selbst sagt dazu, dass sie nur von Liebe und Harmonie singe. In ihrem Song "A Million Voices" heißt es weiterhin: "Wenn du unsere Stimmen hörst, wirst du nicht mehr einsam sein." Das erinnert ein bisschen an einen Witz aus den 1980er-Jahren, der mit einem Satz eine Touristen-Werbung für die Sowjetunion karikierte: "Kommen Sie zu uns, oder wir kommen zu Ihnen!"

Auch die "Süddeutsche Zeitung" geriet über Polinas Song ein wenig ins Grübeln: "Das ist zwar offiziell eine Versöhnungshymne, manche werten das Lied scherzhaft aber auch als gesungene Militärparade, also Drohung. Steht nach der Krim auch der ESC vor der Annektierung?" Am späten Samstagabend wissen wir mehr...